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Die Täter mit Missachtung strafen

Steiner Felix Kommentarbild App
Felix Steiner
26. Juli 2016

Vier unterschiedliche Bluttaten innerhalb nur weniger Tage. Experten warnen vor Nachahmern - und wir können alle einen kleinen Beitrag leisten, um diese Gefahr zu verringern, meint Felix Steiner.

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Silhouette eines Mannes vor grünem Hintergrund (Foto: picture-alliance/dpa/A. Dedert)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

So unterschiedlich die Motivlagen der Täter von Würzburg über München bis Reutlingen und Ansbach im Detail auch sein mögen - eines eint sie doch alle: Sie alle sind - beziehungsweise waren - extrem krankhafte Narzissten. Narzissten, die sich selbst und ihre Sicht auf die Welt als das Maß aller Dinge betrachten. Und die in ihrer übersteigerten Selbstbezogenheit glaubten, sich zum Herr über Leben und Tod Anderer machen zu dürfen.

Was sich am Ende in Gewalt äußert. Im günstigsten Fall allein in Gewalt gegen sich selbst, im schlimmsten Fall in brutaler Gewalt gegen sehr viele - die noch dazu meist in keinerlei Beziehung zum Täter stehen. Sondern einfach nur das Pech haben, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein. Die Tat wird dann je nach den Begleitumständen "erweiterter Suizid", "Amoklauf" oder - wenn wirre politische Statements oder Selbstbezichtigungen als "Gotteskrieger" hinterlassen wurden - eben "Terroranschlag" genannt. Was allerdings - wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière so treffend beschrieb - für jemanden, der am Grab oder Krankenbett eines geliebten Angehörigen steht, keinerlei Unterschied macht.

Medien machen unsterblich

Und auch für die Medien sollte es keinen Unterschied machen. Denn all diesen Taten ist neben dem narzisstischen Tätertyp noch etwas gemein: Sie motivieren Nachahmer! Im Falle des perversen IS-Terrors sollen sie sogar ausdrücklich Nachahmer motivieren. Krankhafte Seelen, die das gleiche schaffen wollen, wie die, die sie als große Vorbilder verehren: Schlagzeilen machen, berühmt und mit einer grausamen Tat faktisch unsterblich werden.

Doch genau diesen Gefallen sollten ihnen weder die Medien noch das Publikum tun. Deswegen die selbstkritische Frage: Warum tun wir es dann immer wieder? Warum nennen wir ihre Namen? Warum zeigen wir ihre Fotos? Fotos, die Ikonen gleich von der nächsten Generation seelisch vollkommen Gestörter und irrlichternder Verrückter verehrt werden? Weil das Publikum diese Bilder sehen will, sagen die Medienmacher. Wirklich? Ist das nicht nur eine allzu billige Ausrede? Oder weiß das Publikum gar nicht, was es mit diesem Voyeurismus auslöst. Dann sollte man den Versuch unternehmen, ihm das zu erklären. Und vielleicht einfach mal mit dem guten Beispiel des Verzichts vorangehen.

Besonders schmerzlich wird der Blick auf die eigene journalistische Arbeit in der Rückschau auf den vergangenen Freitag: Es war der fünfte Jahrestag des grauenhaften Massakers auf der norwegischen Insel Utoya, bei dem ein rechtsextremer Spinner allein 69 Jugendliche erschoss. In vielen Medien - auch bei der Deutschen Welle - wurde das grauenvolle Verbrechen bereits in der Überschrift mit dem Namen des Attentäters benannt. Eigentlich ein Schlag in das Gesicht seiner Opfer: Der Mörder bleibt in Erinnerung und ist jedem geläufig - die von ihm Getöteten fallen hingegen dem Vergessen anheim. Und dann der Horror-Abend von München: Die Wahl des Zeitpunkts sei kein Zufall gewesen, sondern gezielt am Jahrestag von Utoya verübt worden, hat die Polizei am Samstag ermittelt. Journalisten müssten angesichts dieser Information eigentlich erschaudern.

Felix Steiner (Foto:DW)
DW-Redakteur Felix Steiner

Journalisten sind nicht lernfähig

Doch schon einen Tag später wurde deutlich: Nein, die Branche ist nicht lernfähig. Unter anderem von der Titelseite von Deutschland auflagenstärkster Sonntagszeitung blickte uns der Todesschütze von München an. Klar, dass viele andere Medien wenig später nachzogen. Manche - wie die Deutsche Welle - mit einem verpixelten Bild. Wobei der Informationswert eines verpixelten Porträtfotos vollkommen im Dunkeln bleibt. Und auch der Name des jungen Mörders ist längst in der Welt. In Deutschland, das so stolz auf die Standards seines Persönlichkeitsschutzes ist, nennt man nur die Vornamen und den ersten Buchstaben des Familiennamens. Als wären wir auf Du mit dem Grauen.

Garantiert werden wir in Kürze auch die Fotos des Messer-Mörders von Reutlingen und des Rucksack-Bombers von Ansbach sehen - die Namen kann jeder jetzt schon im Netz recherchieren. Doch warum soll man die wissen wollen? Ali oder Yussuf? David oder Kevin? Welche Rolle spielt das?

In früheren Zeiten hat man tote Mörder namenlos verscharrt, andere Verbrecher in tiefen Kerkern vor sich hin vegetieren lassen und ganz einfach vergessen. Sicher - aus heutiger Perspektive war das reichlich inhuman. Aber Mörder zu Medienstars zu machen und damit ihren Nachahmern einen zusätzlichen Ansporn zu geben - das ist nicht weniger inhuman. Denn auch die Nachahmer werden wieder töten. Unschuldige Menschen. Die einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz sind. Deswegen: Strafen wir diese Mörder doch ganz einfach mit Missachtung. Das ist nämlich das einzige, was diese kranken Narzissten wirklich trifft!

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