Es gibt Wetten, die will man eigentlich gar nicht gewinnen. Nach einem Jahr intensiver Reportage-Reisen durch die Vereinigten Staaten von Amerika wich meine Prognose vor den vergangenen Präsidentschaftswahlen deutlich ab von der vorherrschenden Meinung. Mir war damals klar, dass Donald Trump sehr gute Chancen hatte, ins Weiße Haus einzuziehen. Er tat es. Und ich gewann eine Flasche Bourbon.
Freund und Feind
Nun, zwei Jahre später, wird am Dienstag wieder gewählt in den USA. Eigentlich geht es nicht um den Präsidenten, sondern die regionalen Abgeordneten, die in die beiden Parlamentskammern gewählt werden. Aber im Amerika Donald Trumps gibt es auf der politischen Bühne nichts, was nichts mit ihm zu tun hat. Entsprechend intensiv hat er sich am Wahlkampf beteiligt und in den vergangenen Wochen noch intensiver an seiner Agenda gearbeitet, die Welt in Freund und Feind aufzuteilen. Indem er beispielsweise mehr Soldaten an die Grenze zu Mexiko geschickt hat, als im Irak stationiert sind.
Dabei macht es dieser Präsident seinen Gegnern einfach. Sein plumper, aggressiver Stil, seine Übertreibungen, seine Lügen provozieren verlässlich, seine Angriffsziele lassen kaum eine präsidiale Attacke unbeantwortet. Das hält ihn im Geschäft und hält die Demokraten davon ab, sich endlich auf sich selbst und ihre personelle wie programmatischen Neuaufstellung zu fokussieren. Während sie sich über jeden Trump-Tweet aufregen, versäumen sie es, einen Kandidaten aufzubauen, der in zwei Jahren mit Charisma und den richtigen Inhalten Trump daran hindert, ein Mandat für eine weitere Amtszeit zu erhalten.
Das ist besonders gefährlich in einem Zweiparteiensystem, das von vorneherein polarisiert, da es ja nicht auf Koalitionen angewiesen ist, die ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft erzwingen. Es ist aber auch grundsätzlich schädlich für Demokratien, wenn die Lager so gespalten sind, dass man sich gegenseitig nicht mehr zuhört. Und auch mal zugibt, dass die Gegenseite Recht haben kann.
Kein Streit um das bessere Argument
Das nachhaltigste Problem aber, das Donald Trump seinem Land hinterlassen wird, ist die Zerstörung der Fähigkeit, um Argumente zu streiten - und nicht um Glaubenssätze. Denn das hat der Meister der Twitterbotschaften und Zuspitzungen geschafft: Die Menschen wollen glauben, was er sagt. Sie wollen glauben, dass er ihrem Land wieder zu alter Größe verhilft. Und sie wollen glauben, dass ein starker Präsident ihnen die Herausforderung dieser komplexen, globalisierten Welt vom Leib hält und die Probleme löst.
Glauben ist nicht wissen. Fakten, die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge, verlieren immer mehr an Bedeutung. Das ist die bittere Wahrheit nach einem Jahr Trump-Wahlkampf und zwei Jahren seiner Präsidentschaft. Wenn die eigenen Echoräume von Facebook oder Fox-News einmal gestört werden und auch der größte Fan erkennen muss, dass Trump schlicht gelogen hat, hat das dennoch kaum mehr eine Auswirkung. Weil Fakten nicht mehr zählen. Das ist das eigentliche Problem Amerikas.
Denn wenn die Suche nach der Wahrheit, die Bedeutung von Tatsachen keine Rolle mehr spielen und Lügen als Kavaliersdelikte abgetan werden, dann ist eine demokratische Meinungsbildung nicht mehr möglich. Das bedeutet am Ende nichts weniger, als dass das Fundament unseres Staats- und Demokratieverständnisses unterspült wird und Autokraten nicht nur die Macht übernehmen, sondern sie auch langfristig sichern können.