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Kommunalwahl in der Türkei

Baha Güngör30. März 2014

Bei der Kommunalwahl wird auch darüber entschieden, ob Erdogans Führungsstil bestraft oder gar honoriert wird, sagt Baha Güngör. Der AKP-Chef habe zuletzt nicht anders regiert als viele Despoten und Diktatoren weltweit.

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Bahaeddin Güngör, Leiter des türkischen Programms der DW (Foto: DW)
Bahaeddin Güngör, Leiter des türkischen Programms der DWBild: DW

Rund 52 Millionen Bürger der Republik Türkei sind bei den Kommunalwahlen am Sonntag (30.03.2014) zur Stimmabgabe aufgerufen. Sie entscheiden lediglich über Bürgermeister und über die Zusammensetzung von kommunalen Parlamenten - auf dem Papier. Vielmehr aber bestimmen sie über die politische Zukunft von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Auch der Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Sommer hängt nicht zuletzt davon ab, ob die islamisch-konservative AKP ihre bisherige Stärke bewahrt oder gar ausbaut. Was aber passiert, wenn die Regierungspartei mit einer Abschwächung seiner Popularität konfrontiert wird? Darüber gibt es nur Spekulationen.

Es ist kaum zu erwarten, dass die AKP ihren grandiosen Stimmenanteil von fast 50 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen vor drei Jahren noch toppt. Kommunalwahlen sind in der Türkei wie in anderen demokratischen Ländern auch gerne genommene Anlässe, den Regierenden einen Denkzettel zu verpassen.

Das Land ist gespalten

Eine Besonderheit gegenwärtig in der Türkei ist eine gefährliche innenpolitische Polarisierung zwischen den Lagern pro und contra Erdogan. Diese Polarisierung hat dazu geführt, dass die Kommunalwahlen die Bedeutung von Parlamentswahlen erlangt haben. Zudem können sie sogar Hinweise darauf geben, ob der Staatspräsiden Abdullah Gül im Sommer wieder ins höchste Staatsamt gewählt - oder vielleicht von Erdogan abgelöst wird. Die Gräben zwischen den Lagern sind jedenfalls so tief und so breit, wie sie seit der Amtsübernahme von Erdogan vor zwölf Jahren nicht waren.

Seit fast einem Jahr regiert Erdogan nicht anders als viele Despoten und Diktatoren weltweit. Statt demokratische Kompromisse zu suchen, setzt er auf eine Politik der eisernen Faust. Wasserwerfer statt Argumente, Tränengas statt Verständnis für die Sorgen und Probleme der gegen ihn demonstrierenden Massen treiben das Land in Richtung einer bürgerkriegsähnlichen Zerreißprobe für den inneren Frieden.

Gleichschaltung und Einschüchterung der Medien, Internetzensur und zuletzt Verbote von weltweiten sozialen Medien haben gezeigt, dass Erdogans Ruf als Reformer und Anführer seines Landes in Richtung EU-Beitritt Schnee von gestern ist. Für die vielen mitgeschnittenen und über soziale Netzwerke verbreiteten Telefongespräche, die die Korruption und Vetternwirtschaft bis ins Erdogans Familienumfeld orten, macht der religiös-konservative Alleinherrscher Journalisten sowie eben Twitter, Youtube und Facebook verantwortlich.

EU-Weg der Türkei ist fraglich

Der Mitschnitt von einem peinlichen, kriegslüsternen Gespräch zwischen seinem Außenminister, dessen Staatssekretär, seinem Vize-Generalstabschef und dem Geheimdienstchef ist der bisherige Höhepunkt der Verantwortungslosigkeit in der Führung eines Nato-Staates. Darüber zu sprechen, was getan werden muss, um einen Vorwand zum Angriff auf das benachbarte Syrien zu provozieren, macht ein Vertrauen in diese Staatsführung fast unmöglich.

Die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gilt zurzeit als die Quelle der zahlreichen Enthüllungen von Entgleisungen auf den höchsten Regierungsetagen. Die Gülen-Gemeinde ist im Staatsapparat stark vertreten, während der seit 1999 in den USA lebende Prediger von dort die Aktionen für einen Zusammenbruch des Erdogan-Regimes offenkundig koordiniert. Es bleibt trotzdem unklar ob Gülen, Erdogans früherer Weggefährte und heute die Speerspitze des Widerstandes gegen ihn, tatsächlich über die ihm nachgesagte Macht verfügt.

Nein, am Sonntag wird in der Türkei nicht nur darüber entschieden, in welchen Städten welche Parteien die Bürgermeisterstühle stellen können. Entschieden wird auch darüber, ob Erdogans antidemokratischer Führungsstil bestraft oder gar honoriert wird. Es wäre schade um die EU-Ambitionen der Türkei, wenn ausgerechnet demokratische Wahlen das Abdriften von zeitgenössischen Werten Europas im Land beschleunigt.