Kommentar: Eine merkwürdige Koalition
13. September 2006Am Montag (11.9.) beschlossen die Partei von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sowie die Partei um Ministerpräsident Ismail Hanija, eine Regierung der Nationalen Einheit zu bilden. Und obwohl der bisherige und voraussichtlich auch künftige Ministerpäsident Hanija am Dienstag ankündigte, auch nach der Bildung der neuen Regierung nicht direkt mit Israel ins Gespräch zu treten, hegen manche die Hoffnung, dass die Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern wieder belebt werden könnten.
Es mag makaber klingen, aber eine neue palästinensische Regierung musste schon deswegen her, weil das gegenwärtige "Hamas"-Kabinett nicht handlungsfähig ist: Ein Teil seiner Minister befindet sich in israelischer Haft, der Rest wird durch israelische Militäraktionen im Gazastreifen ebenso bedrängt wie durch den internationalen Boykott: Obwohl im Januar in freien und korrekten Wahlen gewählt, gilt Hamas weiterhin als Terror-Organisation, die sich die Zerstörung Israels auf die Fahnen geschrieben hat und deswegen nicht als positiver Faktor betrachtet wird.
Hamas scheint kaum bereit für Kompromisse
Wie das nun alles anders werden sollte, erschließt sich dem Beobachter nicht: Wenn die "Fatah" von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sich künftig mit "Hamas" die Ministerposten in einer großen Koalition teilt, dann gilt natürlich, dass - wie in jeder solchen Koalition - Kompromisse gemacht werden müssen. Und dass "Hamas" von seiner extremen Anti-Israel-Position abrücken muss. Aber die Partei von Regierungschef Ismail Hanija scheint dazu nur eingeschränkt bereit zu sein: Sie werde die "Realitäten" in der Region anerkennen, heißt es. Warum so verschlüsselt? Warum nicht einfach: "Hamas ist bereit, seine Charta zu ändern" - in der weiterhin von der Zerstörung Israels die Rede ist - und "Hamas ist bereit zu Friedensverhandlungen mit Israel"?
Die einzige Antwort auf diese Frage ist: Hamas scheint es weiterhin an Zivilcourage zu mangeln, diesen längst überfälligen Schritt zu machen. Und wenn die "Fatah" sich unter diesen Voraussetzungen auf eine Koalition mit Hamas einlässt, dann besteht die Gefahr, dass nicht Hamas einen gemäßigteren, sondern Fatah einen radikaleren Kurs einschlägt. Denn die Organisation von Mahmud Abbas - und zuvor Jassir Arafat - hatte sich doch längst offiziell mit der Existenz Israels und einer Zwei-Staaten-Lösung abgefunden.
Risiko Koalition: Chaos gegensätzlicher Positionen
Beharren beide Parteien aber auf ihren bisherigen Positionen, dann werden sie eine merkwürdige Regierung bilden. Eine Regierung, die jedem etwas bietet, niemandem aber etwas Konkretes. Die Gegner Israels werden von ihr ebenso bedient wie die Befürworter des einst in Oslo begonnenen Friedensprozesses.
So konträre Positionen aber können nicht miteinander vereinbart werden. Eine große Koalition in Gaza und Ramallah wird sogar noch konfuser wirken als das Regierungsbündnis in Beirut - wo das Kabinett immer wieder gefordert ist, Maßnahmen gegen "Hisbollah" zu ergreifen, die aber selbst mit am Kabinettstisch sitzt.
Die Hoffnung der Palästinenser scheint, dass die Extremisten von Hamas künftig "kalt gestellt" werden können und Abbas wieder Verhandlungen mit Israel aufnehmen wird. Ein unrealistischer Traum: Solange Hamas in seiner bisherigen Stärke - nämlich als führende Kraft - an solch einer Koalition beteiligt ist, kann es und wird es keine Änderung geben. Es sei denn, Hamas ändert seine Position grundlegend. Was aber hieße, ein Kamel durch ein Nadelöhr zu führen. Auch im Nahen Osten weiß man, dass dies bisher unmöglich war.