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Politik

Gambias gefährlicher Zocker

Kriesch Adrian Kommentarbild App PROVISORISCH
Adrian Kriesch
19. Januar 2017

Nach 22 Jahren im Amt weigert sich Gambias Präsident Yahya Jammeh zurückzutreten – trotz Wahlniederlage. Damit zerstört er die letzten Hoffnungen auf eine friedliche Lösung, meint DW-Korrespondent Adrian Kriesch.

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Senegal Proteste gegen Yahya Jammeh in Dakar
Proteste gegen Gambias Präsident Yahya Jammeh im Nachbarland SenegalBild: Getty Images/AFP/Seyllou

Glücksspiel ist in der Islamischen Republik Gambia eigentlich verboten. Präsident Yahya Jammeh zockt trotzdem, ohne Rücksicht auf Verluste. An diesem Mittwoch um Mitternacht ist seine Amtszeit ausgelaufen. Doch er weigert sich mit aller Kraft, die Macht abzugeben. Sein Wetteinsatz ist jedoch kein Spielgeld, sondern sein Land und die Sicherheit der Bewohner. Trotzdem spielt Jammeh ein abenteuerliches, perverses Spiel, das nur er beenden kann. Oder eine Militärintervention.

Angst und Einschüchterungen

Rückblick: Im Dezember verliert "His Excellency Sheikh Professor Alhaji Dr Yahya AJJ Jammeh Babili Mansa" – wie er sich in Gambia offiziell adressieren lässt – überraschend die Wahl. 22 Jahre war Jammeh bis dahin an die Macht und machte international vor allem negativ von sich reden: mit eigenhändigen HIV-Heilungen, Morddrohungen gegen Homosexuelle, Hasstiraden gegen den Internationalen Strafgerichtshof und die Opposition. Er galt und gilt als Meister der Einschüchterung. Jahrelang traute sich kaum einer, ihn offen zu kritisieren. Wer es doch tat, bekam Besuch vom Geheimdienst und verschwand spurlos. Doch im Dezember stimmten trotz Angst und Einschüchterungen überraschend mehr Gambier gegen ihn als für ihn.

Jammeh spielt erneut. Er gibt den Staatsmann, akzeptiert öffentlich das Ergebnis und gratuliert dem gewählten Präsidenten Adama Barrow. Doch schon wenige Tage später ändert er seine Meinung in einer Ansprache im Staatsrundfunk und fordert Neuwahlen. Erneut wird er seinem Ruf als Wendehals gerecht, den er sich lange genug erarbeitet hat.

Vom Autokraten zum Gerichtsfreund

Der abgewählte Präsident pocht plötzlich auf Recht und Ordnung, will, dass der Oberste Gerichtshof eine Entscheidung fällt. Was für ein Hohn für all die Opfer seiner autokratischen Herrschaft, die in den letzten Jahren verschwunden oder ins Ausland geflüchtet sind. Der Gerichtshof, den er anruft, ist nicht mehr entscheidungsfähig, denn die Richter hat Jammeh längst gefeuert. Er bittet afrikanische Staaten darum, Richter in sein Land zu schicken - jene Staaten, die er zuvor bezichtigte, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen.

Jammeh hat noch zwei Angebote auf dem Tisch: Marokko und Nigeria haben ihm und seiner Familie Unterschlupf angeboten. Er könnte dort ein gutes Leben führen. Aber er zockt weiter. Und deshalb wird er wohl bald Besuch bekommen. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hat zwar immer wieder betont, eine Militärintervention sei nur die letzte Option – aber sie ist eine Option.

Erste Truppen stehen bereits an der Grenze. Westafrikas mächtigste Regierungschefs - Buhari in Nigeria, Akufo-Addo in Ghana, Sall im Senegal, Johnson Sirleaf in Liberia und Quattara in der Elfenbeinküste - sind selbst  alle aus der Opposition zu Staatschefs gewählt worden. Glaubt Jammeh ernsthaft, dass sie lange zuschauen, wie er sich an die Macht klammert und das Ansehen Westafrikas beschmutzt? Sein Handeln fordert die ECOWAS zu einer militärischen Aktion auf - sonst verliert der Staatenblock sein Gesicht.

Hoffen auf gesunden Menschenverstand

Viel Zeit hat Jammeh nicht mehr, um zu realisieren, dass es beim Glücksspiel auch Verlierer gibt. Tausende Touristen verlassen das Land, das wird der ohnehin schwächelnden Wirtschaft nachhaltig schaden. Er hat nichts mehr zu gewinnen, kann aber noch für viel Chaos sorgen. Jammeh sollte sich auf der Karte vergegenwärtigen, wie winzig sein Land ist. Weniger als zwei Millionen Menschen leben in Gambia. Was will die kleine Armee, deren Soldaten längst nicht alle auf der Seite Jammeh's sind, gegen die Truppen aus dem Senegal und Nigeria ausrichten?

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DW-Westafrika-Korrespondent Adrian Kriesch

Auch wenn sich niemand einen Krieg wünscht - eine gezielte Militäraktion wäre wohl eher eine Frage von Stunden als Tagen. Es wäre kein Kampf gegen Gambias Bevölkerung sondern für sie und gegen ein paar hundert loyale Soldaten. Ob es dazu kommt oder nicht: das liegt erschreckenderweise in den Händen eines Glücksspielers.

Bewundernswert in Gambia ist nur derzeit nur eines: dass Barrow und sein Team weiterhin so ruhig bleiben und auf einen friedlichen Wandel setzen. Man kann nur hoffen, dass in letzter Minute auch bei Jammeh noch der gesunde Menschenverstand einsetzt.

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