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Tiefe Gräben

Bernd Riegert, zurzeit Lima17. Mai 2008

Europa und Lateinamerika könnten natürliche Verbündete sein. Doch Lateinamerika ist uneins und zerstritten. Damit wird eine wirkliche Zusammenarbeit erschwert. Ein Kommentar von Bernd Riegert.

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Bild: DW

Bekämpfung der Armut, mehr wirtschaftliche Chancen für breite Bevölkerungsschichten, Klimaschutz, Bewahrung der Regenwälder. Auf diese und andere wichtige Ziele haben sich die Staats- und Regierungschefs Europas und Lateinamerikas bei ihrem Gipfeltreffen in Lima geeinigt. Wieder einmal, muss man sagen. Denn diese Ziele werden - bis auf einige aktuelle Ergänzungen - bereits seit dem ersten Gipfeltreffen 1999 immer wieder frisch aufgebrüht. Wer konkrete Maßnahmen sucht, wird enttäuscht. Durfte man die wirklich erwarten?

Bernd Riegert

Wahrscheinlich nicht. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Kontinente und zu zerstritten sind die lateinamerikanischen Regierungen untereinander. Das ständige Schaulaufen des roten Rüpels Hugo Chávez aus Venezuela und anderer selbsternannter Volkstribune ist nur ein Ausdruck der tiefen Gräben, die zwischen den verschiedenen Gruppen auf dem südamerikanischen Kontinent verlaufen. Da heißt es arm gegen reich und links gegen rechts. Man wirft sich gegenseitig Kriegstreiberei oder Habgier vor. Zusammenarbeit und Integration nach europäischem Vorbild? Fehlanzeige. Bis auf wenige Ausnahmen sind die staatlichen Strukturen schwach, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung verläuft schneller als die Regierungen dies wahrnehmen.

Kontinent ohne Einheit

Staaten wie Brasilien, Mexiko oder Chile haben über den bilateralen Weg feste Bindungen zur EU aufgebaut. Als Gruppe Fehlanzeige! Dabei wäre es auch im Interesse Lateinamerikas seine Interessen als Gruppe, als Block zu vertreten. Das wäre im globalen Maßstab wirkungsvoller. Die EU sucht nach einem Partner, um globale Probleme wie den Klimawandel, Energie- und Handelsfragen anzugehen. Beide Kontinente haben alte Verbindungen, gemeinsame Wurzeln, gemeinsame Sprachen. Sie könnten natürliche Verbündete sein. Die Europäer müssen sich sputen, damit ihnen Chinesen und Inder im Konkurrenzkampf um Bodenschätze, Einfluss und Absatzmärkte nicht zuvor kommen.

Der Gipfel in Lima war nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Und was haben die Menschen in Lateinamerika davon, von denen fast 50 Millionen in absoluter Armut leben, trotz des stetigen Wirtschaftswachstums? Kurzfristig nichts. Solche Treffen können nur langsam bei den beteiligten Regierungen, die ja alle demokratisch ins Amt gekommen sind, das Bewusstsein schaffen, dass wirkliche Zusammenarbeit die Lösung der Probleme einfacher machen würde. Enttäuschend war für viele lateinamerikanische Teilnehmer, dass Europa trotz vollmundiger Bekenntnisse nur mit 15 seiner 27 Staats- und Regierungschefs vertreten war. Schwergewichte wie der französische Präsident oder der britische Premierminister fehlten. Das macht die EU unglaubwürdig, schließlich hatte sie ja immer wieder betont, dass man Lateinamerika nicht länger stiefmütterlich behandeln wolle.