Die politischen Zeichen in Brüssel deuten auf Sturm: Die EU-Kommission und Polen stehen sich im Streit um die Justizreform unversöhnlich gegenüber. Die EU droht mit der großen Keule: einem Verfahren, das zum Rauswurf aus dem Wohlstand verheißenden Klub führen könnte. Ein polnischer Exit, ein "Pexit" wider Willen?
Die polnische Regierung reagiert so beleidigt, wie man das vom nationalkonservativen Parteiführer Jaroslaw Kaczynski inzwischen gewohnt ist. Von Erpressung ist in Warschau die Rede. Die politische Krise, in welche die EU da immer weiter hineinschlittert, ist so überflüssig wie ein Kropf.
Die EU-Kommission will ihre Glaubwürdigkeit als Hüterin der Rechtsstaatlichkeit in Europa wahren. Die polnische Regierung, welche die Mehrheit des Wahlvolkes trotz lauter Proteste noch hinter sich wähnt, will ihr Gesicht wahren. Ein Nationalist lässt sich nun einmal nicht von denen da in Brüssel in die Suppe spucken.
Will die EU noch eine Krise mehr?
Noch ist völlig unklar, ob die EU-Mitgliedsstaaten tatsächlich den politischen Willen haben, sich neben dem Ärger mit dem Beitrittskandidaten Türkei und dem Chaos mit dem Austrittskandidaten Großbritannien auch noch mit dem renitenten Brüssel-Hassern in Warschau anzulegen.
Sollte es zu einem Abstrafungsverfahren nach Artikel 7 des Lissabon-Vertrages kommen, wird wohl schnell klar werden, dass Polen extrem isoliert dasteht. Noch hält der ungarische Premier Victor Orbán großmäulig zum geliebten illiberalen Verbündeten Polen. Doch diese Allianz wird nur so lange halten, wie es noch nicht um Geld geht. Wenn die Nettozahler in der EU ihre verhaltene Drohung wahrmachen und die rabaukenhaften Empfängerstaaten Polen, Ungarn und andere über die finanziellen Zuwendungen zur Räson bringen, wird die Solidarität der Nationalisten schnell bröckeln.
Die Frage, die in Brüssel niemand so recht beantworten kann, lautet schlicht: Warum machen die Polen diesen Wirbel, was wollen sie eigentlich von der Europäischen Union? Dass die Partei, die ausgerechnet "Recht und Gerechtigkeit" heißt, mit ihrer Reform Recht und Gerechtigkeit abschaffen will, ist ja keine fixe Idee der Europäischen Kommission. Die international anerkannten Völkerrechts- und Verfassungsexperten in der "Venedig-Kommission" des Europarates haben Polen eine Gefährdung des Rechtsstaates bescheinigt. Polen selbst hatte das Gutachten beantragt, war aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden und ignoriert es jetzt. Dass die polnische Regierung Unrecht hat, steht also außer Zweifel. Warum dann dieser Kampf gegen die Kommission und die angeblich bösen Mächte in Brüssel?
Es geht auch ohne Polen - zur Not
Wird da ein Minderwertigkeitskomplex einzelner Politiker in Warschau abgearbeitet? Ist Parteiführer Kaczynski wirklich so in seinen Verschwörungstheorien und der extremen Trauer über seinen verunglückten Zwillingsbruder Lech, den früheren Präsidenten, gefangen? Wird das innenpolitische Klavier gespielt, um die nationalkonservativen Wähler bei der Stange zu halten? Wie kann es sein, dass ein Mann, der eine kommunistische Diktatur überwinden half, so gezielt auf Gleichschaltung, Macht und Gehorsam setzt? Wächst da ein Mini-Trump an der Weichsel?
Wenn die EU wirklich so schlimm ist, wie die polnische Regierung sie darstellt, sollte sie vielleicht doch über die Exit-Strategie, den "Pexit" nachdenken. Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo hatte im März beim 60. Geburtstag der EU noch mühsam in Rom die Zukunft der Union beschworen und dabei immer von einem besseren Europa fabuliert, das erreicht werden müsse. Wie das aussehen soll, hat sie allerdings nicht gesagt. Wenn es ein polnisches Europa sein soll, in dem Gewaltenteilung, Demokratie und Freiheit eingeschränkt werden, dann sagen wir mit der EU-Kommission laut und klar: Nein, danke. So nicht.
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