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UN stecken in Ego-Politik fest

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Gero Schließ
29. Juli 2015

Russland hat mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat eine Resolution zum MH17-Absturz über der Ukraine blockiert. Die UN haben beim Krisenmanagement versagt. Das Veto-Recht im Sicherheitsrat muss weg, meint Gero Schließ.

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Der russische Botschafter bei der Uno Witali Tschurkin (Foto: Reuters)
Der russische Botschafter im UN-Sicherheitsrat Witali Tschurkin stimmte gegen die MH17-ResolutionBild: Reuters

Das war zu erwarten. Mit der Forderung nach einem UN-Tribunal zur Untersuchung der Absturzursache der Passagiermaschine MH-17 über der Ukraine wollten Malaysia und seine Unterstützer Russland unter Druck setzen, endlich bei der Aufklärung des Absturzes mitzuwirken. Doch da haben sie in Moskau auf Granit gebissen. Nachdem Russland Anfang Juli eine Resolution zum Völkermord in Sebrenica blockierte, hat es jetzt die Verabschiedung der von Malaysia eingebrachten Resolution erneut mit einem Veto verhindert.

298 Menschen sind damals am 17. Juli 2014 brutal ums Leben gekommen. Während die meisten Länder, angeführt von den USA, davon ausgehen, dass die von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine das Flugzeug abgeschossen haben, beschuldigt Moskau die ukrainische Regierung in Kiew.

Nicht die einzige Blockade

Es ist skandalös, dass die UN bisher nichts dazu beitragen konnten, die Verantwortlichen für den tragischen Tod der Passagiere beim Namen zu nennen und dingfest zu machen. Der Bericht des vor einem Jahr vom Sicherheitsrat eingesetzten Joint Investigation Team lässt immer noch auf sich warten. Die Ermittlungsgruppe, bestehend aus Experten aus Malaysia, Australien, Belgien, Ukraine und den Niederlanden, scheiterte bisher an der Weigerung Russlands und der ukrainischen Separatisten, bei den Untersuchungen zu kooperieren. Das russische Veto im Sicherheitsrat macht wenig Hoffnung , dass sich daran etwas ändert.

Innerhalb nur eines Monat hat Moskau damit zweimal die Verabschiedung einer Resolution im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto verhindert. Möglicherweise sind das Vorboten einer länger anhaltenden, tiefer greifenden Konfrontation. Zumindest ist es nicht auszuschließen, dass es im Sicherheitsrat demnächst wieder so turbulent und unversöhnlich zugeht, wie zu Zeiten des Kalten Krieges.

Gero Schliess (Foto: DW)
Gero Schließ, DW-Korrespondent in Washington

Die Aussprache nach der Abstimmung zum Resolutionsentwurf Malaysias läßt jedenfalls nichts Gutes erwarten. Auf jeden Fall hat das wichtigste Gremium der UN schmerzlich versagt. Es hat es nicht geschafft, sich in einer wichtigen Frage zu positionieren.

Veto als politisches Kalkül

Das ist kein Einzelfall, sondern der vorläufige Schlusspunkt einer ganzen Reihe von verpassten Gelegenheiten. Und es ist keinesfalls nur Russland, das seine Vetomacht ausspielt. Als Israel letztes Jahr im Gazakonflikt militärisch überzog und hunderte von palästinensischen Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen wurden, verhinderten die USA mit ihrem Veto die Verabschiedung einer UN-Resolution, die Israel verurteilt. Russland wiederum blockiert bis zum heutigen Tage eine UN-Resolution, die dem Morden im syrischen Bürgerkrieg ein Ende setzen könnte und die massiven Menschenrechtsverletzungen des syrischen Präsidenten Assad beim Namen nennt.

Dass sich die USA, Russland und die anderen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zumindest in der Frage der Verschrottung syrischer Chemiewaffen einig waren, mag man als Ermutigung sehen. Doch bleiben die UN damit weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück.

Mit dem gesammelten Schweigen zu existentiellen Fragen und brandgefährlichen Konflikten hat sich der UN-Sicherheitsrat selbst massiv geschadet. Wenn sich an der selbstverordneten Blockade durch das Veto-Recht nichts ändert, werden die Rufe immer lauter werden, die am Sinn eines solchen Gremiums zweifeln. Und das zu Recht! Wozu baucht die Welt einen Sicherheitsrat, bei dem nur eines sicher ist: Die Selbstblockade.

Veto-Recht ist nicht mehr zeitgemäß

Eine Reform der UN ist überfällig. Die aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs heraus abgeleitete Vetomacht von fünf Ländern ist nicht mehr zeitgemäß. Diese bis zum Überdruss wiederholten Forderungen haben es bisher aber noch nicht in den Sitzungssaal des Sicherheitsrates geschafft. Dass sich die USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China freiwillig aus ihrer "Pole Position" heraus bewegen, ist nicht zu erwarten. Jeden Reformvorschlag, der ihnen das Veto abringen wollte, würden sie blockieren - mit eben diesem Veto.

Ein jüngst von Frankreich gemachter Vorschlag könnte zumindest einen Anfang machen. Die Franzosen haben aus Katastrophen wie etwa dem Völkermord in Ruanda die Lehre gezogen und wollen in solchen Fällen das Vetorecht außer Kraft setzen. Das hätte den Vorteil, dass der UN-Sicherheitsrat etwa in humanitären Notsituationen agieren könnte – mit Hilfe von Mehrheitsbeschlüssen. Doch der Blick auf die lange Reihe gescheiterter Reformversuche stimmt pessimistisch. Selbst dieser zaghafte Änderungsvorschlag dürfte im Getriebe egoistischer Interessenpolitik stecken bleiben.

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