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Russland blockiert MH17-Tribunal

29. Juli 2015

Russland hat mit seinem Veto im Sicherheitsrat ein Sondertribunal der UN zum Abschuss einer Passagiermaschine der Malaysia Airlines über der Ostukraine verhindert. Die USA reagierten "bestürzt und entsetzt".

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Die UN-Botschafter und ihre Mitarbeiter gedenken mit einer Schweigeminute vor der Abstimmung der Opfer (Foto: dpa)
Die UN-Botschafter und ihre Mitarbeiter gedenken mit einer Schweigeminute vor der Abstimmung der OpferBild: picture-alliance/dpa/J. Szenes

Fast 300 Menschen sterben - aber wer trägt die Schuld? Ein UN-Gericht wird diese Frage nicht klären, dafür hat Russland ein Jahr nach dem Abschuss des Passagierflugzeuges MH17 gegen den Willen einer großen Mehrheit im UN-Sicherheitsrat gesorgt: Moskaus Botschafter Witali Tschurkin stimmte in New York als einziger Landesvertreter gegen eine auch von Deutschland unterstützte Resolution, mit der ein unabhängiges Untersuchungs- und Strafgremium eingesetzt werden sollte.

Elf der 15 Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats hatten sich für die Einrichtung des Tribunals ausgesprochen, das gemäß Kapitel sieben der UN-Charta seine Aufklärungsbemühungen mit Sanktionen hätte durchsetzen können. Trotz der Ja-Stimmen scheiterte die Resolution, weil Russland als eines von fünf ständigen Ratsmitgliedern sein Vetorecht nutzte.

Schweigeminute vor der Abstimmung

Unmittelbar vor der Abstimmung hatte der Sicherheitsrat mit einer Schweigeminute der 298 Opfer gedacht (Artikelbild). Die Boeing der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH17 war vor einem Jahr über der Ostukraine vermutlich von einer Flugabwehrrakete abgeschossen worden. Die Regierungen in Kiew und in Moskau beschuldigen sich gegenseitig, für den Tod der Menschen verantwortlich zu sein.

Wrackteile der abgeschossenen Boeing 777 am 17. Juli 2014 (Foto: dpa)
Wrackteile der abgeschossenen Boeing 777 am 17. Juli 2014Bild: picture-alliance/dpa/A. Zykina

"Wir bedauern sehr das Versagen des UN-Sicherheitsrates, dieses entsetzliche Unglück aufzuklären", sagte Malaysias Verkehrsminister Dato' Sri Liow Tiong Lai. "Es muss eine Botschaft an die wachsende Zahl nichtstaatlicher Akteure gesendet werden, dass sie für Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden." Es sei höchste Zeit, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen und zu ermitteln, wer Schuld sei am sinnlosen Tod von fast 300 Menschen. "Es ist die Gerechtigkeit, auf die die Familien der Opfer warten."

Tschurkin sagte, Russland habe die Aufklärung des Abschusses immer vorangetrieben und sei zur Zusammenarbeit bereit. "Als einziges Land haben wir viele Daten öffentlich gemacht, und wir haben unser Expertenwissen angeboten." Tschurkin beklagte sich über antirussische Propaganda. "Ich kann nicht verstehen, warum der Abschuss als Bedrohung des internationalen Friedens eingestuft werden soll." Der russische UN-Botschafter zweifelte an der Unabhängigkeit einer Untersuchung. Dies sei angesichts des "aggressiven Propagandahintergrunds in den Medien" unwahrscheinlich, sagte Tschurkin.

"Russland verweigert Gerechtigkeit"

Seine US-Kollegin Samantha Power erinnerte an die tragischen Einzelschicksale von ganzen Familien, Kindern, Studenten, Nonnen und Wissenschaftlern - sowie an den Schmerz der Angehörigen: "Wir sind bestürzt und entsetzt. Wie muss es dann erst den Familien gehen?" Die Schuldigen müssten gefasst werden, Straflosigkeit wäre ein furchtbares Signal. "Russland hat die Separatisten ermutigt, den internationalen Ermittlern den Zugang zu verweigern. Das Veto ist nur konsequent. Russland verweigert damit Gerechtigkeit", kritisierte Power. Trotz des Vetos werde es Gerechtigkeit für die Opfer und ihre Familien geben. "Und Moskau wird den Aufschrei der Angehörigen hinnehmen müssen."

Die Angehörige eines australischen Opfers ein Jahr nach dem Abschuss (Foto: Reuters)
Die Angehörige eines australischen Opfers ein Jahr nach dem AbschussBild: Reuters/D. Gray

Zwei Drittel der Opfer kamen aus den Niederlanden, 27 aus Australien. Auch vier Deutsche waren unter den Opfern. Vor allem die Niederlande und Malaysia, aber auch andere Staaten wie Australien fordern seit langem ein unabhängiges, internationales Tribunal, um zu klären, wer für den Abschuss verantwortlich ist. Mit dem Tribunal soll Russland zudem zu einer stärkeren Mitarbeit bei der Tätersuche gebracht werden.

Die ukrainische Regierung und der Westen vermuten, dass prorussische Rebellen die Maschine mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen haben. Moskau sieht die Verantwortung hingegen bei Kiew. Die Ermittlungsarbeit wurde immer wieder durch Gefechte in der Ostukraine unterbrochen. In einem vorläufigen Bericht aus den Niederlanden vom September 2014 hieß es, die Schäden an dem Flugzeug seien offenbar von einer "großen Zahl von Objekten verursacht worden, die das Flugzeug mit hoher Geschwindigkeit von außen durchdrangen". Russland lehnt die Einrichtung eines Tribunals nach eigener Darstellung ab, weil die niederländischen Ermittlungen zu der Tragödie noch nicht abgeschlossen seien.

stu/wl (afp, dpa)