Die Wähler würden ihm, dem omnipräsenten Ministerpräsidenten, eine noch breitere Mehrheit bescheren, sein Spielraum würde sich vergrößern - so das Kalkül des bisherigen und auch künftigen Ministerpräsidenten Aleksander Vučić vor dem Urnengang in Serbien. Ist diese Rechnung aufgegangen?
Ja und nein - Vučićs Regierung verfügt auch künftig über eine klare absolute Mehrheit, aber noch breiter ist sie nicht geworden.
Koalition trotz absoluter Mehrheit
Vučićs bisherige Koalitionspartner, die Sozialisten, waren schon nach den Wahlen von 2014 überflüssig, denn die Fortschrittspartei allein stellte damals bereits 158 von 250 Abgeordneten. Doch Vučić wollte die Partei des einstigen Autokraten Slobodan Milošević lieber in eine Koalition einbinden und der Chef-Sozialist Ivica Dačić wurde Außenminister. Das war ein kluger Schachzug, denn die nationalistisch gefärbten Sozialisten hätten in der Opposition durchaus stärker werden können. Und bei unliebsamen Maßnahmen oder gar Fehlern ist es immer praktisch, wenn man auf eine geteilte Verantwortung verweisen kann.
Und nun? Die bisherige Koalition wird voraussichtlich auch die künftige Koalition sein. Die Partei des Ministerpräsidenten hat zwar weiterhin die absolute Mehrheit, diese ist aber ein wenig schmaler geworden. Auch die Sozialisten als zweitstärkste politische Kraft werden bescheiden bleiben, weil ihr Wahlergebnis keinen Spielraum bietet und sie ja auf jeden Fall mitregieren wollen.
Der ewig gestrige Rückkehrer aus Den Haag, Vojislav Šešelj, kann sich hingegen freuen: seine Radikale Partei, die für eine Mischung aus derbem Witz und übelsten verbalen Entgleisungen steht, hat es endlich wieder zurück ins Parlament geschafft. Doch die Stärke der Russland-Liebhaber und antiwestlichen Radikalen ist trotz mehr als 20 Abgeordneten für die Regierung nicht wirklich gefährlich.
Zersplitterte Opposition
Die Opposition konnte sich vor den Wahlen nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen, manch ein Ego war wohl zu groß. So trat man zersplittert an und wurde entsprechend bestraft: Nur eine Gruppe überwand sicher die Fünf-Prozent-Hürde - die anderen scheiterten. Und damit bleiben diese Parteien zu klein, um wirklich korrigierend in das politische Geschäft einzugreifen. Kleine Pfütze - viele Krokodile, sagt man in Belgrad. Eine nennenswerte Machtverschiebung ist das alles nicht.
Vučić bleibt also innen- und außenpolitisch der Herr der Lage - ganz gleich, ob mit oder ohne die Sozialisten. "Weiter so" ist sein Erfolgsrezept: Immer wieder die EU-Mitgliedschaft als offizielles Ziel proklamieren, trotzdem ab und zu Richtung Moskau zwinkern. Eigene Fehler vermeiden, stattdessen die nervösen Nachbarn Kroatien und Kosovo Fehler machen lassen. Soziale Grausamkeiten verkaufen als Opfer auf dem Altar der Zukunft. Die Medien nach außen mit Samthandschuhen anfassen und sie dennoch lenken.
Für alle, die auf eine wirkliche Alternative zu Vucic hofften, bleibt die Situation aussichtslos. Vor allem auch, wenn man den führenden Oppositionellen Glauben schenkt: Denn auch sie möchten weiter machen wie bisher.
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