Vucic siegt in Serbien
24. April 2016Das Rennen macht damit das Gesicht, das überall von Plakaten und in Werbespots lächelte. Der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić war omnipräsent, obwohl er zu behaupten pflegt, ihn interessiere der Wahlkampf gar nicht, weil er von früh bis spät im Sinne seines Landes arbeite.
In der vorletzten Woche der Kampagne, so hat eine Medienagentur ausgerechnet, entfiel mehr als die Hälfte der Sendezeit der nationalen Fernsehsender auf Vučić, seine konservative Fortschrittspartei und ihre Funktionäre. Es folgt die mitregierende Sozialistische Partei und erst dann die Opposition, die jedoch meist in schlechtem Licht dargestellt wird.
"Strategie der Fortschrittspartei war eine auf den Premier zugeschnittene, völlig personalisierte Kampagne", sagt der Philosoph Vladimir Milutinović. Die vorgezogenen Parlamentswahlen - Vučić hätte auch ohne sie bis 2018 regieren können - seien überhaupt nur ausgerufen worden, weil der Regierungschef seine Amtszeit ausdehnen wolle. Zudem, so der Analytiker, fallen die Parlamentswahlen jetzt auf denselben Tag wie die Wahlen in vielen Kommunen und Städten, sowie die in der nördlichen Provinz Vojvodina. So könne die Popularität Vučićs auch für einen Wahlsieg seiner Partei auf Lokalebene sorgen. "Die Regierung hat jegliche inhaltliche Debatten verhindert. "Es werden schlicht gehorsame Wähler gesucht, die ihre Stimme denjenigen geben, denen ohnehin ein Wahlsieg vorausgesagt wird", schreibt Milutinović auf seinem Blog.
Alle gegen ihn
Die Regierenden haben für die Wahl eine andere Erklärung: Es sei ein starkes Mandat nötig, um wichtige Reformen durchzusetzen. Seit der frühere Nationalist Vučić das wirtschaftlich chronisch angeschlagene Balkanland regiert, gibt er den Saubermann und EU-Befürworter. In europäischen Hauptstädten etwa sammelte Vučić Sympathiepunkte, indem er ein Abkommen mit dem Kosovo unterzeichnete, obwohl Serbien die Unabhängigkeit der früheren Südprovinz weiterhin nicht anerkennt. Das Abkommen aber öffnete die Tür zu Beitrittsverhandlungen mit der EU, die Serbien im vergangenen Dezember endlich startete.
Zuhause sieht es weniger rosarot aus. Trotz des harten Sparkurses und Einschnitten bei Renten und Löhnen, blieben ökonomische Erfolge bislang aus. Inoffiziell liegt die Arbeitslosigkeit weit über den amtlichen 17 Prozent, in Umfragen geben nach wie vor etwa zwei Drittel der Eltern an, sie würden ihren Kindern raten, das Land zu verlassen und woanders eine bessere Zukunft zu suchen.
Obwohl ihre breite Anhängerschaft, gleichgeschaltete Medien und die zersplitterte Opposition als eine Sieggarantie für die Fortschrittspartei gelten, wiederholt Vučić immer wieder, er werde die Wahlen sicherlich verlieren, weil er eine mutige Politik führe und sich weder Brüssel noch Moskau unterwerfe. Das auflagestarken Boulevardblatt Alo verbreitete jüngst auf der Titelseite sogar die Theorie, die ganze Opposition - pro-westliche sowie pro-russische Parteien - hätten eine Verschwörung geschmiedet, um Vučić zu stürzen und die Regierungsposten unter sich aufzuteilen.
Die Behauptung, dass Vučić von allen Seiten bedroht wird, sei reines Getue und Übertreibung, schreibt dagegen in seiner Kolumne Dragoljub Žarković, der Chefredakteur der Belgrader Wochenzeitung Vreme. Damit wolle der Premier seine Wähler aufrütteln. "Vučić hat ein Interesse daran, für eine höhere Wahlbeteiligung zu sorgen. Die berüchtigte Fünf-Prozent-Hürde relativiert sich, wenn beispielsweise 60 statt 50 Prozent der Wähler ihre Stimme abgeben. Mit einer höheren Wahlbeteiligung steigt auch die Zahl der Außenseiter."
Ein buntes Parlament?
Die Wahlprognosen - denen übrigens kaum ein seriöser Beobachter uneingeschränkt Glauben schenkt - sagen ein buntes Parlament voraus: Die regierende Fortschrittspartei kann demzufolge mit mehr als 40 Prozent der Stimmen rechnen, der Einzug der mitregierenden Sozialisten gilt ebenfalls als sicher. Außerdem könnten es den Prognosen nach auch zwei oder drei "bürgerliche Optionen" schaffen – mit dieser Chiffre werden üblicherweise die EU-freundlichen und demokratischen Parteien beschrieben. Für etwas Widerspruch könnten zwei nationalgesinnte Listen sorgen, deren Politik in groben Zügen recht simpel klingt: Kosovo ist Serbien, der Westen ist böse und das orthodoxe Mütterchen Russland gut.
Ein Gesicht aus diesem rechtsnationalen Spektrum hat bereits besondere Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich gezogen: Der großserbische Ideologe Vojislav Šešelj wurde Ende März vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in der ersten Instanz freigesprochen, was er selbst gerne als Legitimierung seiner nationalistischen Hetze darstellt. Dass er während des Wahlkampfes vor laufenden Kameras mehrfach kroatische, EU- und NATO-Flaggen verbrannte, ist für ihn 'business as usual'. "Er wird eine permanente Provokation sein und ein Dauerproblem bei den Abstimmungen im Parlament", meint der Politologe Dušan Janjić.
Doch mehr als ein Störenfried wird auch Šešelj kaum werden, sind sich Experten einig. Der Journalist Dragoljub Žarković etwa ist davon überzeugt, dass die Koalition der Fortschrittspartei und der Sozialisten fortgesetzt wird - es sei denn, Vučić gewinne die absolute Mehrheit: "In diesem Fall wird er niemanden mehr brauchen - die Bürger Serbiens inbegriffen.“