Die britische Regierung möchte den Brexit zu einem Erfolg für das Land und auch für die Europäische Union machen. So steht es im Austrittsantrag an die Union. Die EU wiederum ist auf eine Begrenzung des Schadens ausgerichtet, der beiden Seiten zwangsläufig entstehen wird. Das hat EU-Ratspräsident Donald Tusk auf Malta klar gemacht. Die Ansätze könnten unterschiedlicher nicht sein - wobei derjenige der EU wesentlich mehr mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Die Briten werden wirtschaftlich einen Preis zahlen. Dafür bekommen sie vielleicht das Gefühl, dass sie über ihre Gesetze wieder selbst bestimmen können. Nationaler Stolz gegen Mitgliedschaft in einem funktionierenden Binnenmarkt - das ist ein schlechter Deal auf lange Sicht.
Kernfrage Handel
Die Europäische Union sitzt bei den anstehenden Verhandlungen über den Austritt am längeren Hebel. Das ist klar und das hat wohl auch die britische Premierministerin Theresa May erkannt. In ihrem Scheidungsbrief hat sie mehrfach fast darum gefleht, dass die EU doch bitte sofort ein vorteilhaftes Handelsabkommen mit den Briten vereinbaren solle. Die 27 übrigen Staaten lehnen das aber aus wohl verstandenem Eigeninteresse kühl ab. Die Strategie lautet: Erst die saubere Scheidung, dann ein Übergangsabkommen, danach ein neuer Vertrag über Handel und künftige Beziehungen. Ob das in zwei Jahren Verhandlungszeit zu schaffen ist, ist mehr als fraglich. Notfalls kann man die Frist mit gutem Willen auf beiden Seiten verlängern.
Großbritannien wird zunächst die Statusfragen für EU-Bürger im Vereinigten Königreich und Briten in der EU regeln müssen. Dann wird die Rechnung für den Abschied aus dem Klub aufgemacht. Dann werden die Fragen der künftigen Außengrenzen - besonders zur Republik Irland - besprochen. Und dann erst geht es um das künftige Verhältnis. Die EU und Großbritannien werden praktisch Beitrittsgespräche rückwärts führen müssen, aufgeteilt in über dreißig Kapitel mit Tausenden Seiten von Gesetzestext. Das kann dauern. Bemerkenswert ist, dass Großbritannien schon jetzt keinen großen Einfluss mehr auf die Abläufe hat. Die EU bestimmt das Tempo. Denn sie hat Zeit - alle Zeit der Welt. Die Uhr arbeitet gegen Großbritannien. Die 27 treten im Moment geschlossen auf. Das könnte sich ändern, wenn sie über den neuen EU-Haushalt ohne den Nettozahler Großbritannien spätestens 2019 verhandeln. Wer wird die Lücke stopfen? Wer muss sparen?
Noch ist die Wirtschaft unbeeindruckt
Die britische Regierung muss auch zuhause unendlich viele Dinge regeln. Zunächst wird mit 15 voluminösen Gesetzen EU-Recht in nationales Recht übernommen, damit man es dann nach dem Brexit wieder ändern kann. Eigentlich wollte man sich ja lossagen von der EU auf der nach Unabhängigkeit lechzenden Insel. Die Logik dieser Brexit-Strategie erschließt sich dem Kontinent nicht unmittelbar. Einen Lichtblick für Großbritannien gibt es im Moment noch: Die Wirtschaft ist unbeeindruckt vom Brexit, sie wächst im Vereinigten Königreich trotz aller negativen Voraussagen stärker als erwartet. Noch.
Ohne Übergangsabkommen werden die Briten in zwei Jahren automatisch auf die weniger günstigen Regeln der Welthandelsorganisation zurückfallen. Die Drohung, die Theresa May, jetzt nicht mehr wiederholte, lautete: Dann machen wir eben einen harten Brexit und verlassen die Verhandlungen. Doch diese Drohung zieht nicht. Denn das Chaos, das dann entstünde, würde Großbritannien viel härter treffen als die restlichen EU-Mitglieder.
Die Abnabelung Großbritanniens verläuft jetzt sehr schnell. Es gilt die Leitlinie der EU, dass die Briten ohne Mitgliedschaft nicht die gleichen Vorteile genießen dürfen wie Mitglieder. Am 29. April werden die Staats- und Regierungschefs - ohne Theresa May - ein Verhandlungsmandat verabschieden. Im Mai beginnen dann die Verhandlungen. Die Uhr tickt. Noch 728 Tage bis zum Brexit.
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