Kommunen profitieren von EZB-Strafzins
1. August 2016Die meisten Kommunen in der Bundesrepublik stecken in tiefroten Zahlen. Nach Angaben des Deutschen Städtetages belief sich die Summe der Kassenkredite, mit denen die Städte kurzfristig Schuldenlöcher stopfen, im vergangenen Jahr auf rund 50 Milliarden Euro. Kredite, für die Zinsen anfallen und die somit die Schulden in die Höhe treiben. Inzwischen aber haben sich durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Konditionen auf dem Kapitalmarkt geändert - zu Gunsten der Kommunen. Denn für das Parken von Geldern, die nicht für Kredite abgerufen wurden, müssen europäische Banken einen Strafzins in Höhe von 0,4 Prozent an die EZB zahlen. Daher gewähren sie nun klammen deutschen Kommunen für Kredite sogar einen Bonus und legen etwas drauf. Diese Form der Kreditvergabe ist immer noch billiger als der von der EZB in Rechnung gestellte Negativzins.
Um ihre laufenden Ausgaben finanzieren zu können, müssen Kommunen kurzfristig immer wieder Kassenkredite aufnehmen. Mülheim an der Ruhr etwa steht bei Banken mit Kassenkrediten in Höhe von rund 930 Millionen Euro in der Kreide. Die Ruhrgebietsstadt Essen hält sich auf diese Weise mit etwa 2,5 Milliarden Euro über Wasser. Das ist bundesweiter Rekord.
Ähnlich wie bei einem Dispokredit für Privatpersonen sollten Kassenkredite im Prinzip nur kurzfristige Engpässe überbrücken. Doch angesichts steigender Ausgaben u.a. im sozialen Bereich und nicht ausreichender Steuereinnahmen nutzen Kommunen dieses Instrument notgedrungen als Dauer-Notstopfen.
"Trotz Schulden sichere Kreditnehmer"
Bislang 68 Kommunen aus acht Bundesländern haben sich zu dem Aktionsbündnis "Für die Würde unserer Städte" zusammengeschlossen. Da der Bund, so Mülheims Kämmerer Uwe Bonan, immer mehr gesamtgesellschaftliche Aufgaben auf die Kommunen abwälze, erwarten die Städte auch eine ausreichende Finanzierung durch den Bund. Ansonsten bliebe den Städten keine andere Wahl, als ständig kurzfristig neue Kredite aufzunehmen. Die aktuelle Lage auf dem Geldmarkt verschafft den Kommunen zumindest etwas Luft zum Durchatmen. Vor allem Geldinstitute aus den Niederlanden, Belgien und Skandinavien haben verschuldete deutsche Kommunen als ideale Kreditnehmer entdeckt.
Zum einen sparen sie sich den Strafzins für bei der EZB geparkte Gelder. Und zum anderen gelten die deutschen Städte als "gesichertes Terrain", denn im Notfall würden immer noch der Bund und die Bundesländer einspringen. Um welche Banken es sich handelt, darüber möchten die Kämmerer allerdings kein Wort verlieren. Durch die aktuelle Zinslage sparen die Kommunen nach den Worten von Essens Kämmerer Lars Martin Klieve nachweislich Geld, das sie ohnehin nicht haben. "Für etwa ein Drittel der laufenden Kredite", sagt Klieve, "zahlen wir derzeit gar keine Zinsen."
"Zinslast halbiert"
Dabei handelt es sich durchweg um Darlehen mit einer Laufzeit von durchschnittlich drei Monaten. "Und bei einem Teil der Kredite", ergänzt Kämmerer Klieve, "erhalten wir sogar Geld zurück". Bei einem eingeräumten Negativzins von weniger als 0,1 Prozent kommt dabei unter dem Strich ein fünfstelliger Betrag pro Jahr heraus - zu Gunsten der Stadt. Das ist zwar nicht sonderlich viel, aber deutlich besser als noch Zinsen drauf zu zahlen. Zur Verdeutlichung: Musste die Stadt Essen 2008 eine jährliche Zinslast von rund 60 Millionen Euro aufbringen, so hat sich diese inzwischen auf weniger als 30 Millionen Euro verringert.
Auch andere Städte wie Oberhausen und Dortmund nutzen die günstigen Offerten europäischer Banken für kurzfristige Kassenkredite. Dortmund beispielsweise profitiert von einem Negativzins zwischen 0,1 und 0,9 Prozent. Probleme bei den Verhandlungen mit den Banken, heißt es aus dem Rathaus, gebe es keine. Kein Wunder, denn gegenüber dem Strafzins von vier Prozent, den die EZB kassieren würde, machen die Banken mit den vergebenen Kassenkrediten an deutsche Kommunen selbst ein einträgliches Geschäft. Dass Darlehensgeber nach diesem Modell an kommunale Darlehensnehmer einen Zinssatz bezahlen, das kommt für deutsche Banken offenbar nicht in Betracht. Zumindest kennt der Bundesverband deutscher Banken bislang keinen einzigen Fall eines solchen Zins-Deals. Von welchen Banken sie die günstigen Kredite erhalten, das spielt für die Kämmerer letztlich keine Rolle.