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Für saubere Handys

Mirjam Gehrke10. Juli 2013

Menschenrechtler fordern von Handyherstellern, auf Coltan aus Bürgerkriegsgebieten zu verzichten. Können diese überhaupt sicherstellen, dass sie keine Mineralien aus Kriegsgebieten verarbeiten?

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presentazione © Anna Khomulo #19725923
Bild: Anna Khomulo/Fotolia

Thérèse Mema stellt eine Handvoll kleiner Blechkreuze auf den Tisch. Jedes ist etwa vier Zentimeter groß, der runde Messingfuß wiegt schwer in der Hand. "Diese Kreuze stellen die Frauen in unserem Traumazentrum aus alten Patronenhülsen her", erklärt Thérèse. "Diese Arbeit hilft ihnen, die Gewalterfahrung durch Vergewaltigung und Vertreibung zu verarbeiten." Die Mitarbeiterin der katholischen Hilfsorganisation Justice and Peace arbeitet im Osten Kongos, in der Region Bukavu. In der Region kämpfen Rebellen und das Militär um die Kontrolle über die reichen Rohstoffvorkommen: Gold, Coltan und andere Materialien, die für die Herstellung von Handys, Laptops und anderen elektronischen Geräten unerlässlich sind.

Vergewaltigung als Kriegswaffe

Thérèse Mema, Justice and Peace, Congo
Thérèse Mema (li.) unterstützt Opfer von Vergewaltigungen im Osten KongosBild: Missio

Für Frauen gilt der Kongo nach Angaben von Hilfsorganisationen wie Missio als "der gefährlichste Ort der Welt". Die UNO bezeichnet das Land als das "Zentrum der Vergewaltigungen", wo sexuelle Gewalt gezielt als Kriegswaffe eingesetzt wird. "Durch die Vergewaltigungen soll die Bevölkerung erniedrigt werden. Die Menschen werden gezwungen, ihr Land zu verlassen und es den Rebellen zu überlassen, die dann die Rohstoffe ausbeuten", so Thérèse Mema, die auch Männer und Kinder medizinisch und psychologisch betreut.

Die Mutter von drei Kindern ist auf Einladung des katholischen Hilfswerks Missio in Deutschland. Missio hatte vor einem Jahr die Aktion Saubere Handys gestartet: Handy-Hersteller in Deutschland sollen durch die Unterschriftenaktion aufgefordert werden, keine sogenannten Konfliktmineralien mehr zu verwenden. Zehntausende von Menschen haben bereits unterschrieben, unter ihnen auch die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin: "Mir geht es darum, dass man den Markt stärker in die Verantwortung nimmt. Das betrifft vor allem die Herstellerfirmen von Coltan, darunter eine frühere Tochterfirma von Bayer, die sehr stark engagiert ist; aber auch andere europäische und amerikanische Unternehmen."

Industrie kontrolliert sich selbst

Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) (Foto: dpa/lsw)
Handyhersteller müssen mehr Verantwortung übernehmen, fordert Herta Däubler-GmelinBild: picture-alliance

Die Firma H. C. Starck, die bis 2006 zur Bayer AG gehörte, zählt zu den führenden Coltan-Herstellern. In den Jahren 2000 und 2001 war das Unternehmen noch einer der Hauptabnehmer von Coltan aus dem Kongo. Nachdem die UNO dem Unternehmen eine "Mitverantwortung für die grauenhaften Kämpfe" im Kongo vorgeworfen hatte, änderte die Firma nach eigenen Angaben 2002 ihre Lieferpolitik und bezieht seitdem keine Rohstoffe mehr aus dem Kongo.

Anfang Juli hat H. C. Starck bekannt gegeben, in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge die Zertifizierung für die Verarbeitung von konfliktfreiem Coltan erhalten zu haben. Vergeben wird das Zertifikat unter anderem von der "Global e-Sustainability Initiative" (GeSI). Über 30 Unternehmen aus der Elektronik- und Kommunikationsbranche gehören diesem freiwilligen Verband an, unter ihnen Nokia, Motorola, Vodafone, Telefonica, Microsoft and HP. Eine erhebliche Kritik an dem Bewertungssystem besteht laut Germanwatch allerdings darin, dass sie "auf freiwilligen Selbstauskünften der Hersteller beruhen".

Bei der Deutschen Telekom als einem der größten Mobilfunkhändler in Deutschland stehe das Thema "Konfliktfreiheit von Rohstoffen" schon lange auf der Tagesordnung, sagt Cornelia Szyszkowitz, die bei dem Unternehmen für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist. Sie verweist auf "entsprechende Statements auf unserer Webseite". Die Telekom spreche mit ihren Lieferanten über das Thema. "Wir haben aber leider noch nicht die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Tantal oder Coltan in den Geräten, die wir geliefert bekommen, konfliktfrei ist oder nicht", fügt sie hinzu. Das sei nur möglich, bevor der Rohstoff geschmolzen und weiterverarbeitet wird. "Solange die Herkunft nicht objektiv überprüfbar ist, indem man Tests macht, gehen wir davon aus, dass es stimmt, was die Hersteller sagen", resümiert Cornelia Szyszkowitz die Position der Telekom.

Chemischer Fingerabdruck von Coltan

"Die Bundesanstalt für Geowissenschaften (BGR) hat ein Nachweisverfahren entwickelt, mit dem man sagen kann, woher das Coltan kommt, das in unseren Handys und all den elektronischen Geräten ist", hält Herta Däubler-Gmelin dagegen. Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums haben Wissenschaftler der BGR einen Herkunftsnachweis für Coltan aus Zentralafrika entwickelt. Im Fokus des Pilotprojekts standen der Kongo und seine Nachbarstaaten. Rund die Hälfte der weltweiten Tantalproduktion stammt aus diesen Ländern. Coltan wird aus Tantalerz gewonnen. Anhand von chemischen und mineralogischen Werten kann die Herkunft von Tantal eindeutig lokalisiert werden. Auch illegale Lieferungen aus Konfliktregionen lassen sich mit diesem Verfahren identifizieren.

Aus dem Rohstoff Tantalerz wird Coltan gewonnen, das in der Handyproduktion eine wichtige Rolle spielt (Foto: dpa)
Rund die Hälfte des weltweit verfügbaren Coltans stammt aus ZentralafrikaBild: Getty Images/AFP

Das Pilotprojekt lief bis 2009. Jetzt komme es auf den politischen Willen an, heißt es von Seiten der BGR, um das Verfahren in die Praxis umzusetzen. Ein wichtiger Impuls könnte dafür der Dodd-Frank-Act sein. Das Gesetz zur Stabilisierung der Finanzmärkte tritt am 1. Januar 2014 in den USA in Kraft und schreibt Unternehmen, die an US-Börsen notiert sind, vor, die Lieferketten für bestimmte Rohstoffe transparent zu machen. "Der Dodd-Frank-Act soll den Nachweis geben, dass das Coltan nicht aus Konfliktgebieten kommt", so Herta Däubler-Gmelin, "aber ob dort Kinder in den Minen ausgebeutet werden, wird durch das Gesetz nicht erfasst. Deswegen fordern wir von der EU eine erweiterte Richtlinien: Dodd-Frank plus Sicherheit und Mindestarbeitsbedingungen."

Foto von einem Patronenhülsenkreuz
Symbol der Hoffnung für viele Gewaltopfer: Kreuz aus PatronenhülsenBild: Missio

Thérèse Mema weiß, dass es lange dauern kann, bis US- und EU-Gesetze im Kongo wirken. Sie setzt auf das Bewusstsein der Handy-Nutzer in Deutschland: "Von der Aktion Saubere Handys erhoffe ich mir, dass alle Deutschen guten Willens uns helfen. Niemand will schließlich für Mord und Vergewaltigung von unschuldigen kleinen Jungen oder von elf Monate alten Mädchen verantwortlich sein. Das kann niemand wollen", sagt sie lächelnd, und schenkt ihren Gesprächspartnerinnen Herta Däubler-Gmelin und Cornelia Szyszkowitz zum Abschied ein Kreuz aus Patronenhülsen.