Konjunkturkiller oder -programm?
4. Juni 2013Gerade mal 0,1 Prozent Wachstum hatte die deutsche Wirtschaft im 1. Quartal hingelegt, alle Hoffnungen richteten sich auf die Folgequartale - doch diese Hoffnungen sind im Dauerregen und Hochwasser buchstäblich untergegangen. "Wie die Pegelstände gestiegen sind, so sind auch die Probleme für die Unternehmen, für die Wirtschaft gestiegen", sagt Alexander Schumann, Chefvolkswirt beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), zur DW. "Zuerst kam das ungewöhnlich kalte und feuchte Wetter im Frühjahr. Das heißt, etwas von dem, was am Jahresanfang durch den Winter weggefallen ist, konnte man abarbeiten, aber nicht alles."
Deshalb, so glaubt Schumann, habe die deutsche Wirtschaft durchaus noch "einen Nachholeffekt zu erwarten. Das ist die positive Nachricht. Aber es wird nicht einfacher, das muss man auch sehen, gerade wenn man jetzt in die Hochwasserregion schaut." Branchen und Regionen sind natürlich unterschiedlich betroffen. Die Bauindustrie hat zwar Aufträge bis zur Kapazitätsgrenze, kann sie aber vielerorts nicht abarbeiten, weil die Baugruben volllaufen. Gastronomie und Tourismus leiden natürlich besonders unter dem schlechten Wetter, die Landwirtschaft fürchtet um ihre Ernten, vor allem bei Spargel, Erdbeeren und Getreide.
Versorgungsketten unterbrochen
Vom Hochwasser betroffen sind auch andere Branchen. Der weltweit tätige Abfüllanlagen-Hersteller Krones musste die Produktion in zwei Werken in Oberbayern anhalten, weil die Mitarbeiter die Fabriken kaum noch erreichen konnten. Ähnlich die Lage im sächsischen Zwickau. Dort musste der Volkswagen-Konzern die Produktion in seinem Werk vorübergehend anhalten.
"Als der Katastrophenalarm ausgelöst wurde, haben wir im Werk sofort den Krisenstab zusammengerufen", so Gunter Sandmann, Pressesprecher der Volkswagen Sachsen GmbH, zur DW. "Und aufgrund der Erkenntnis, dass die Verkehrsinfrastruktur massiv beschädigt war, mussten wir davon ausgehen, dass auch die Zulieferindustrie das Werk nicht mehr erreichen kann." Deshalb wurde die Frühschicht am Montag abgesagt. Jetzt aber läuft die Fabrik wieder auf Hochtouren. "Wir sind noch mal mit einem blauen Auge davongekommen." Das gilt auch für den Chemiepark im mitteldeutschen Bitterfeld. Dort gelang es der Bundeswehr, die Produktionsanlagen vor den Fluten zu sichern.
Wie hoch die gesamtwirtschaftlichen Schäden ausfallen werden, weiß natürlich keiner so genau. Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft kennt immerhin die Zahlen vom letzten Elbhochwasser aus dem Jahr 2002: "Die versicherten Schäden durch das Elbhochwasser beim letzten sogenannten Jahrhunderthochwasser beliefen sich auf 1,8 Milliarden Euro. Es ist jetzt noch zu früh, um verlässlich und valide schätzen zu können, wie das Schadensausmaß sein wird. Wir haben frühestens Ende nächster Woche Zahlen."
Katastrophen-Konjunktur
Ein kleiner Trost: Jede Katastrophe erzeugt auch eine kleine Sonderkonjunktur. Denn was jetzt in den Fluten versunken ist, muss ersetzt oder repariert werden. Versicherungen berichten nach jeder großen Katastrophe über ein lebhaftes Neugeschäft. Baumärkte, die jetzt noch darüber jammern, dass ihre Gartenmöbel, Grills und Rasenmäher unverkauft herumstehen, werden bald einen Run auf Werkzeuge und Baustoffe sehen, wenn's ans Renovieren und Reparieren geht.
DIHK-Chefvolkswirt Alexander Schumann allerdings ist sich nicht sicher, ob diese Rechnung tatsächlich aufgeht: "Jetzt sind das erst mal Schäden. Und der Ausgleich dieser Schäden könnte dann im weiteren Jahresverlauf eine Sonderkonjunktur, einen Wachstumsimpuls erzeugen", sagt Schumann der DW.
Aber es sei zum Beispiel überhaupt nicht klar, ob die Bauwirtschaft zusätzliche Aufträge einfach und schnell abarbeiten könne. "Da ist vieles offen." Rein rechnerisch könne man sich vorstellen, dass Katastrophen nicht nur Konjunkturkiller, sondern auch Impulsgeber sein können. "Aber ob das auch wirklich so eintritt, das ist momentan noch nicht abzusehen."