Krieg der Worte nach Luftangriffen in Syrien
14. April 2018Der Iran hat die gezielten Attacken der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Ziele in Syrien scharf verurteilt. Dies sei ein klarer Verstoß gegen internationale Vorschriften und die territoriale Integrität Syriens, erklärte das Außenministerium in Teheran. Der Iran verurteile jeglichen Einsatz von chemischen Waffen. Das Thema hätte aber nicht als Vorwand für militärische Angriffe auf einen Mitgliedstaat der Vereinten Nationen benutzt werden sollen.
Ein Sprecher des Ministeriums warnte vor "regionalen Konsequenzen" des Bombardements. "Die USA und ihre Verbündeten haben keinerlei Beweise und haben ohne überhaupt die Stellungnahme der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) abzuwarten, diesen Militärschlag ausgeführt", teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran über Telegram mit. OPCW-Experten wollen an diesem Samstag in Syrien mit den Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff der Streitkräfte auf die Stadt Duma am 7. April beginnen.
Der Angriff der USA und ihrer Verbündeten hat nach Ansicht des russischen Außenpolitikers Konstantin Kossatschow das Ziel, die Arbeit der Chemiewaffenexperten der OPCW zu erschweren oder zu vereiteln. Der Vorsitzende des Außenausschusses im Parlament in Moskau sagte der Nachrichtenagentur Tass, bei dem Angriff handle es sich um eine ungeheuerliche Verletzung des Völkerrechts. "Es ist ein Angriff auf einen souveränen Staat ohne rechtmäßigen Grund."
Auch China kritisierte die westlichen Luftangriffe in Syrien und sprach von einem Verstoß gegen internationales Recht. "Wir lehnen den Einsatz von Gewalt in den internationalen Beziehungen stets ab und setzen uns dafür ein, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder zu respektieren", erklärte eine Außenamtssprecherin. Jede einseitige militärische Maßnahmen ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats verkompliziere den Syrien-Konflikt. Die Regierung in Peking rief alle Konfliktparteien auf, sich wieder an internationales Recht zu halten und nach einer "politischen Lösung" zu suchen. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 legte China allerdings mehrfach sein Veto gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu Syrien ein.
Scherin vergleicht Trump mit Hitler
Der Vizevorsitzende des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Alexander Scherin, verglich US-Präsident Donald Trump sogar mit dem deutschen Diktator Adolf Hitler. "Man kann ihn den Adolf Hitler unserer Zeit nennen", sagte Scherin. Die westlichen Mächte hätten unter US-Führung eine ähnliche Strategie genutzt wie Hitler beim Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941.
Dagegen stellte sich die NATO hinter die gemeinsamen Angriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Syrien. "Dadurch wird die Fähigkeit des Regimes vermindert, das syrische Volk weiter mit Chemiewaffen anzugreifen", teilte Generalsekretär Jens Stoltenberg mit. Der mutmaßliche Chemiewaffeneinsatz durch die Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad in Duma vor einer Woche habe nach einer "kollektiven und wirksamen" Antwort der internationalen Gemeinschaft verlangt.
Merkel: Militäreinsatz angemessen
Auch die Bundesregierung stellte sich hinter die westlichen Angriffe auf Syrien. "Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben."
Die Luftangriffe hätten zum Ziel gehabt, Fähigkeit der Regierung Assad "zum Chemiewaffeneinsatz zu beschneiden" und sie "von weiteren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention abzuhalten". Alle vorliegenden Erkenntnisse wiesen darauf hin, dass das Assad-Regime in der Stadt Duma und auch zuvor "vielfach Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat", so Merkel.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rief die Führung in Damaskus auf, den Einsatz von Chemiewaffen zu beenden. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass diese Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt habe, aber es müsse das letzte Mal sein, betonte Juncker.
Israel: Rote Linie überschritten
Israel betrachtet die von den USA angeführten Angriffe als Durchsetzung einer roten Linie für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Ein israelischer Regierungsvertreter sagte, US-Präsident Donald Trump habe Assad zuvor deutlich gemacht, dass dieser mit dem Gebrauch von Chemiewaffen die rote Linie überschreite. Auch das türkische Außenministerium begrüßte die US-geführten Angriffe als "angemessene Antwort".
Die französische Regierung machte sich nach der Attacke für einen "Krisenausstiegsplan" für das kriegserschütterte Land stark. "Wir sind bereit, ab sofort mit allen Ländern daran zu arbeiten, die dazu beitragen möchten", sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian in Paris. Sein Land sei bereit, "sehr schnell" wieder politische Initiativen zu ergreifen. Der Minister erneuerte auch die Forderung nach einer Waffenruhe in ganz Syrien und einem humanitären Zugang, um Hilfe für die Zivilbevölkerung zu ermöglichen.
Guterres mahnt zu Mäßigung
Derweil rief UN-Generalsekretär António Guterres die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zur Zurückhaltung auf. Angesichts der gefährlichen Lage sollten sie alle Handlungen vermeiden, durch die die Situation eskalieren und das Leid der syrischen Menschen sich verschlimmern könnte, sagte er in New York. Jedweder Einsatz von Chemiewaffen sei abscheulich. Das Leiden, das dadurch verursacht werde, sei schrecklich.
Der koordinierte Angriff der Westmächte ist nach Ansicht der syrischen Opposition auch eine Botschaft an Russland und den Iran. Die Angriffe zeigten, dass die westliche Mächte außerhalb der Vereinten Nationen aktiv sein könnten, sagte der Sprecher des in Istanbul ansässigen Oppositionsbündnisses Syrische Nationale Koalition, Ahmed Ramadan. Sie seien eine Antwort auf das Veto Moskaus im UN-Sicherheitsrat. Russland und der Iran sind im Bürgerkrieg Verbündete des syrischen Regimes.
kle/rb (dpa, afp, rtr)