Kritik an Solar-Strafzöllen gegen China
4. Juni 2013Die Solarindustrie ist ein gutes Geschäft in China. Und die Europäische Union ist weltweit der größte Markt für Solarprodukte. Allein im Jahr 2011 exportierte China Solarmodule und Zubehör im Wert von 21 Milliarden Euro in die EU.
Damit ist China mit Abstand der größte Produzent von Solarmodulen weltweit. Laut europäischer Produzenten haben chinesische Unternehmen bereits über 80 Prozent des EU-Marktes im Bereich der Solarindustrie übernommen - vor wenigen Jahren lag der Anteil noch bei null Prozent.
Hinzu kommen stark sinkende Preise: Seit 2008 sind die Kosten für Solarmodule um fast 70 Prozent gesunken. Experten prognostizieren, dass die Preise auch weiterhin fallen werden. Gute Zeiten für Hersteller aus China.
Preis-Dumping stoppen
Doch die Hochphase könnten bald ein Ende haben - zumindest vorerst. Die Europäische Kommission hat am Montag entschieden, mittelfristig Zölle von durchschnittlich 47 Prozent auf chinesische Solarprodukte erheben. Diese Importabgagen auf die chinesischen Solarprodukte werden in Deutschland häufig als "Strafzölle" bezeichnet.
Der Schritt der Kommission ist eine Antwort auf die Beschwerden mehrerer europäischer Unternehmen. Ihr Vorwurf: China flute den Markt mit billigen Solarprodukten, die weit unter den Produktionskosten verkauft würden. "Die Europäische Kommission untersucht dieses Thema schon seit 2012", sagt Shyam Mehta, globaler Solarenergieanalyst beim US-Unternehmen GTM Research. Es werde überprüft, ob chinesische Hersteller Solarprodukte unter ihrem Wert in Europa verkauften.
In den letzten Jahren kamen zwischen 60 und 70 Prozent der in Europa verarbeiteten Solarprodukte aus China. Das liege schlicht und einfach daran, dass die Chinesen die niedrigsten Preise hätten, so Mehta.
Schnelles Wachstum, langsames Erwachen
Wie aber ist die Industrie in dieses Dilemma geraten? In den frühen 2000er Jahren wuchs der Solarmarkt in Ländern wie Spanien, Deutschland und Italien aufgrund von Subventionen der Regierungen ungewöhnlich schnell. Doch mit Kürzung der Subventionen, merkten viele Hersteller plötzlich, dass sie keinen Profit mehr machen konnten.
Das deutsche Unternehmen SolarWorld wirft den chinesischen Produzenten Marktverzerrung vor. Durch unfaire Unterstützung beispielsweise in Form von Subventionen durch ihre Regierung, könnten sie ihre Module unter den tatsächlichen Kosten verkaufen. SolarWold steht mit diesem Vorwurf nicht alleine da - auch andere europäische Wettbewerber werfen den chinesischen Unternehmen eine Dumping-Strategie vor, die verhindern soll, dass sie nicht aus dem lukrativen europäischen Markt gedrängt werden.
Nicht nur aus Europa kommt Kritik: Im Jahr 2012 erhoben die USA Zölle auf chinesische Solarprodukte mit dem Argument, die rapide chinesische Expansion hätte ein massives Überangebot geschaffen. Um solchen Zölle, wie sie durch die USA erhoben wurden, aus dem Weg zu gehen, hat der chinesische Produzent CSun einfach seine komplette Produktion in Länder wie Taiwan, Malaysia oder Korea verlegt.
Zölle könnten "kontraproduktiv" sein
Doch all das trübt die Laune der chinesischen Solarproduzenten nicht. Bei der 8. internationalen Solarmesse SNEC in Shanghai, war der sich anbahnenden Handelsstreit mit der EU kein Thema. Über 150.000 Branchenkenner versammelten sich bei der Veranstaltung, die als die größte Solarindustriekonferenz weltweit gilt.
Viele Experten glauben, dass die Zölle letztendlich der europäischen Industrie schaden werden. "Die Motivation für die Erhebung der Zölle ist einfach nur lächerlich", sagt Martin Green, Experte für Solartechnologie an der New South Wales Universität in Australien. "Sie sind kontraproduktiv. In den USA beispielsweise haben die Zölle beim Versuch, die bereits toten Teile der Industrie wieder zu beleben, die wettbewerbsfähigen Teile der Industrie zerstört", sagt er.
Diese Sorgen teilen auch manche europäische Produzenten. Sie setzten sich bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür ein, dass sie den aufkommenden Konflikt entschärft und sich für eine beidseitige Lösung einsetzt. Zölle würden Arbeitsplätze kosten und das Wachstum in der Solarbranche stoppen, so ihre Argumente.
Auch der chinesische Premier Li Keqiang, der sich zuletzt mit Bundeskanzlerin Merkel traf, äußerte seinen Unmut über die geplanten EU-Zölle. "Diese Entscheidung bedroht nicht nur Arbeitsplätze in China, sondern auch die Entwicklung in den betroffenen Industrien. Außerdem wird sie Auswirkungen auf die Entwicklung Europas haben und Europas Industrie in Gefahr bringen", so Li Keqiang.
"Den Fokus verlagern"
Martin Green betont, dass die Zölle selbst die noch existierenden und gut laufenden Nischen in der europäischen Solarindustrie gefährden könnten. "Die europäische Industrie ist auf dem Gebiet der Herstellung von Solarmodulen so gut wie tot. Europa ist ausgezeichnet in der Entwicklung des gesamten Solar-Zubehörs, das die herstellende Industrie, die jetzt nach Asien abgewandert ist, braucht", sagt der australische Experte. Europa könne Pionierarbeit bei Nutzung und der Entwicklung der unterstützenden Infrastruktur leisten.
Das Geschäft rund um die Herstellung des speziellen Solarzubehörs und die dazugehörige Beratung bringt der EU derzeit jährlich rund 7,5 Milliarden Euro ein. Das ist zwar immer noch sehr viel weniger als der Wert der Solarmodule, die Europa mittlerweile importiert. Doch es könnte eine Marktlücke sein, die weiter wächst. Denn auch in Ländern außerhalb der Europäischen Union wächst der Markt für Solarprodukte, wie beispielsweise in Südamerika, dem Mittleren Osten und Afrika. Diesen Markt können sich die europäischen Solarunternehmen jedoch nur erschließen, wenn sie bereit sind, ihren Fokus zu ändern.