Kroatien EU
9. Dezember 2011Die Zugehörigkeit zu Europa ist ein fester Teil des kroatischen Selbstverständnisses. Schon als das Land 1991 die Unabhängigkeit von dem jugoslawischen Staatenbund erklärte, war die EU-Mitgliedschaft ein proklamiertes Ziel. Es hat trotzdem fast zehn lange Jahre gedauert und eines Krieges bedurft, bis das Land sich tatsächlich auf den Weg in die EU machen konnte. An diesem Freitag (09.12.2011) wurde nun der EU-Beitrittsvertrag unterzeichnet.
Im November 2000 fing Kroatien an, über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU zu verhandeln. Das war die erste vertragliche Bindung des Landes an die EU. In dem Vertrag vereinbarten beide Seiten die Regeln für ihren künftigen politischen Dialog: Es wurden die Handelsbedingungen definiert, und von Kroatien wurde verlangt, seine nationale Gesetzgebung den europäischen Standards anzugleichen. Gleichzeitig verlangte man von Zagreb, sich intensiver für den regionalen Dialog einzusetzen und die Zusammenarbeit mit den Nachbarn zu intensivieren. Das alles wurde im sogenannten SAA-Rat überwacht. Im Vergleich zu früheren Verträgen der Europäischen Union mit Ländern Mittel- und Osteuropas waren die Vereinbarungen mit Kroatien viel detaillierter.
Grenzstreit zwischen Nachbarn
Den offiziellen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellte Kroatien während der Regierungszeit des Sozialdemokraten Ivica Racan Anfang 2003. Ein halbes Jahr später übergab die EU-Kommission den Fragebogen an Kroatien, für die Antwort benötigte Zagreb nicht mal ein Vierteljahr. Im April 2004 empfahl die EU-Kommission den Kandidatenstatus für Kroatien, den wenig später der Rat beim EU-Gipfel bestätigte. Der Beginn der Beitrittsverhandlungen verschob sich dann um fast ein halbes Jahr, einige Mitgliedsstaaten unterstellten Zagreb, nicht vollständig mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenzuarbeiten.
Am 28. Oktober 2005 kam es zur ersten Konferenz. Bis zum 30. Juni 2011 sollten 34 weitere Treffen folgen. Damit dauerten die Beitrittsverhandlungen fast sechs Jahre, nicht kürzer oder länger als bei früheren Beitrittsländern. Und ohne die fast einjährige Blockade Sloweniens wäre es noch schneller gegangen: Hintergrund war der ungelöste Verlauf der Seegrenze zwischen Slowenien und Kroatien in der Adria. Der Streit wurde beigelegt durch eine Vereinbarung zwischen Zagreb und Ljubljana, die sich darauf verständigten, die Entscheidung einem Schiedsgericht zu überlassen – sie wird in den kommenden Monaten erwartet.
Kampf gegen die Korruption
Als im Juli 2009 der kroatische Regierungschef Ivo Sanader überraschend zurücktrat, schien der Nachbarschaftsstreit eine Ursache zu sein. Über seine wahren Beweggründe schwieg sich Sanader aus. Fest steht: Seine Nachfolgerin an der Macht, Jadranka Kosor, kämpft seitdem gegen die verbreitete Korruption im Land. Die EU hatte hier Druck gemacht – mit Erfolg: In den vergangenen zwei Jahren wurden zahlreiche Fälle von Vetternwirtschaft und Wirtschaftskriminalität aufgedeckt.
Dabei waren in vielen Fällen führende Funktionäre der Kroatischen demokratischen Gemeinschaft (HDZ) beteiligt, der seit Jahren regierenden christdemokratischen Partei, 1989 gegründet von dem ersten kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman. Auch der Partei nahestehende Direktoren von Staatsbetrieben, einige Minister und sogar der frühere Premierminister Sanader wurden der Korruption und Geldunterschlagung beschuldigt oder bereits verurteilt.
Ein ganz normales Land
Unmittelbar vor den Parlamentswahlen, bei denen es am vergangenen Wochenende (04.12.2011) zum Regierungswechsel kam, hatte die Staatsanwaltschaft sogar ein Ermittlungsverfahren gegen die gesamte HDZ eingeleitet. Die ohnehin schlechten Chancen der Partei auf eine Wiederwahl schrumpften weiter, die Opposition, angeführt von der Sozialdemokratischen Partei, siegte deutlich.
Außerhalb Kroatiens erregte dieser Regierungswechsel keine große Aufmerksamkeit – das Land ist einer europäischen Normalität inzwischen sehr nahe gekommen, in der sich an der Macht Mitte-Links und Mitte-Rechts-Regierungen abwechseln.
In Februar oder März 2012 werden die Bürger Kroatiens in einem Referendum über den EU-Beitritt abstimmen. Die 27 EU-Mitgliedsländer haben ihrerseits knapp 18 Monate Zeit, um den Vertrag zu ratifizieren. Nach dem jetzigen Zeitplan soll Kroatien am 1. Juli 2013 als 28. Mitgliedsland der EU beitreten.
Autor: Alen Legovic
Redaktion: Zoran Arbutina/Michael Borgers