Die Präsidentenparty
20. Januar 2009Militärorchester spielen, Chöre singen und Obama bekommt Ständchen von Aretha Franklin und dem berühmten Cellisten Yo-Yo Ma. Und nach dem Amtseid am Dienstag (20.01.2009) richtet der Kongress ein festliches Mittagessen aus, während George W. Bush mit einem Helikopter davonfliegt.
Die Inauguration besteht längst aus weit mehr als dem schlichten Schwur, den die amerikanische Verfassung vorschreibt. Sie hat sich zu einer Feier der Superlative entwickelt. Der Historiker Marvin Kranz hat lange in der Library of Congress gearbeitet, der amerikanischen Nationalbibliothek, und ist nun als Rentner freiwilliger Mitarbeiter im "Newseum", dem Nachrichtenmuseum an der Pennsylvania Avenue. "Dass die Inauguration so groß geworden ist, liegt größtenteils daran, dass über die Jahre immer mehr Traditionen hinzugefügt wurden."
Der Präsident und das Militär
Das Militär hat einen besonders großen Anteil an der Zeremonie – 5000 Soldatinnen und Soldaten marschieren als Mitglieder der Parade vom Capitol zum Weißen Haus, spielen in den Orchestern oder geben die Platzanweiser, sagt Hauptmann Meritt Phillipps. Sie ist Mitglied des Inaugurations-Kommittees des Militärs. "Schon bei der ersten Inauguration, als George Washington in die damalige Hauptstadt New York fuhr, hatte er eine zivile Eskorte und eine Militäreskorte. Seitdem nimmt das Militär immer an der Amtseinführungs-Zeremonie teil. Der neue Präsident ist unser Oberbefehlshaber und wir geben ihm die angemessene Zeremonie und die Ehre, die er verdient."
Das tun die Soldaten auch bei Eiseskälte: Denn die gesamten Feierlichkeiten finden normalerweise draußen statt. Ein Symbol – der neue Präsident schwört den Amtseid vor dem Volk, also vor denjenigen, die ihn gewählt haben, erklärt Donald Kennon von der Historischen Gesellschaft des Kapitols. Bei der Zeremonie sind alle drei Gewalten des Staates anwesend. So zeige die Regierung Einigkeit, meint Kennon. "Das neue Oberhaupt der Exekutive, also der Präsident, legt den Amtseid am Sitz der Legislative ab. Abgenommen wird ihm der Schwur vom obersten Richter der Vereinigten Staaten."
Mit Vorgänger - und den Frauen
Vor seinem Schwur wird der neue Präsident vom scheidenden Präsidenten im Weißen Haus empfangen. Gemeinsam fahren dann beide mit ihren Ehefrauen zum Capitol. Das Ritual hat seine Wurzeln in einer Zeit, in der es nicht sicher war, dass die Macht in den USA friedlich von einer Regierung auf die nächste übertragen würde, sagt Kennon. Er erinnert an die Vereidigung von Thomas Jefferson im Jahr 1801. "Jefferson stand einer neuen Partei vor. Die zuvor regierenden Föderalisten und Jeffersons demokratische Partei hatten aber sehr unterschiedliche Vorstellungen über amerikanische Politik. Deshalb war es damals unklar, ob diese Machtübergabe friedlich von statten gehen würde."
Die nun schon über zweihundert Jahre währende Geschichte einer friedlichen Machtübertragung in den USA sei einzigartig, meint auch Marvin Kranz. Allein deshalb bedeute die Inauguration weit mehr als irgendein bürgerlicher Feiertag. "Ich sehe sie in religiösen Maßstäben, auch wenn die Inauguration keinen Gott enthält. Sie ist Teil des patriotischen Systems, in dem wir leben. Wir zeigen: Dies ist Amerika und ein amerikanischer Feiertag."
"Schlechte Prosa"
Dreh- und Angelpunkt der Inauguration ist neben dem Schwur des Präsidenten seine Ansprache, in der er sich an das Volk wendet. Nur wenige dieser Ansprachen allerdings seien denkwürdig, befindet Kranz. "Wenn man sich die Ansprachen anhört, die während der Inaugurationen gehalten werden, stellt man fest, dass sie größtenteils schlechte Beispiele für englische Prosa sind. Es gibt allerdings auch ein paar denkwürdige Zeilen, etwa die Ansprache von Franklin Roosevelt 1933. Er sagte: "Wir haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst". Damit will er die Amerikaner überzeugen, dass auch nach den dunkelsten Zeiten der Depression wieder bessere Tage kommen werden."
Todbringende Rede
In die gleiche Kategorie gehört auch die Antrittsrede von John F. Kennedy, mit den berühmten Zeilen: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Land tun kannst." Gelegentlich allerdings übertreiben es die angehenden Präsidenten bei ihrer Antrittsrede – am tragischsten ist wohl der Fall von William Henry Harrison, der 1841 vereidigt wurde. Er hielt die bisher längste Antrittsrede, fast zwei Stunden lang, an einem bitterkalten Tag, "Harrison wollte seine gute körperliche Verfassung demonstrieren – obwohl er der älteste bis dahin gewählte Präsident war", erzählt Kranz. "Er sprach ohne Mantel, ohne Hut und ohne Muff und erkältete sich natürlich." Die Erkrankung wurde schlimmer und führte zu einer Lungenentzündung, an der Harrison einen Monat später starb - die kürzeste Präsidentschaft in der amerikanischen Geschichte."
Angesichts dieser verhängnisvollen Geschichte wird der Amtseid bei zu großer Kälte inzwischen nach drinnen verlegt und die Parade fällt dann aus. So etwa bei der zweiten Vereidigung von Ronald Reagan 1985 - dem bislang kältesten Inaugurationstag mit gefühlten minus 20 Grad.