Kuba-Politik im Schatten des US-Wahlkampfs
15. September 2004Bei der vergangenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 gaben unter anderem die Stimmen der Exil-Kubaner im US-Bundesstaat Florida den Ausschlag für die Wahl für George W. Bush. Auch bei den kommenden Wahlen im November zählt der Bundesstaat zu den hart umkämpften, so genannten Battleground States, die über Sieg oder Niederlage entscheiden können. Die Kuba-Politik der Bush-Administration wird deshalb intensiv von der kubano-amerikanischen Gemeinschaft in Florida verfolgt, die sehr genau weiß, über welch großen politischen Einfluss sie verfügt.
Bush erhöht Druck auf Havanna
Washington kündigte im Oktober 2003 die Einsetzung einer Kommission an, um Pläne und Strategien für eine Beendigung des Castro-Regimes mit allen zur Verfügung stehenden nicht-militärischen Mitteln zu erarbeiten. Im Mai 2004 legte die Komission dann einen 500-seitigen Bericht vor. Die Vorschläge in dem Bericht und darauf folgende Verhandlungen führten zur Ankündigung einer neuen Kuba-Politik durch Präsident Bush. Das Ziel: Der Druck auf Havanna soll durch verschärfte Sanktionen deutlich erhöht werden.
Einige Maßnahmen dieser neuen Initiative polarisieren die kubano-amerikanische Bevölkerung in noch nie da gewesenem Ausmaß. Das bisher jährliche Besuchsrecht bei Verwandten auf der Insel ist nun auf eine Reise von maximal 14 Tagen alle drei Jahre eingeschränkt. Darüber hinaus werden die erlaubten Ausgaben während dieser Reisen auf höchstens 50 Dollar statt bisher 165 Dollar pro Tag festgelegt.
Damit bezweckt die Regierung nicht nur eine Einschränkung der Devisenquellen Havannas, sondern sie verfolgt vor allem wahltaktische Ziele. Durch die vorgesehenen Maßnahmen kommt man vor allem den Hardlinern unter den Exil-Kubanern entgegen. "Die ganze Sache ist eindeutig 'political pandering' – ein Buhlen um die Stimmen der kubano-amerikanischen Community", erklärt Hannes Artens, der zu diesem Thema beim Institut für Iberoamerika-Kunde eine Studie veröffentlicht hat, im Interview mit DW-WORLD. Für die Emigranten der 1990er-Jahre, die meist noch kein Wahlrecht haben, stellt diese Initiative hingegen eine Katastrophe dar, weil sie nun ihre zurückgelassenen Familien nicht mehr unterstützen können.
Kerry bezieht Stellung
Im Gegensatz zur Bush-Regierung war die Haltung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry zur Kuba-Frage lange unklar. Doch inzwischen vertreten beide Kontrahenten völlig entgegengesetzte Positionen. Kerry tritt für eine gemäßigtere Politik gegenüber dem Inselstaat ein und will die Entscheidung über die Reisefreiheit dem Kongress überlassen.
Vor allem die moderaten Kräfte unter den Exil-Kubanern protestieren heftig gegen Bushs Verschärfung der Reisebestimmungen. Möglicherweise droht sogar eine Spaltung der kubano-amerikanischen Gemeinschaft. Erstmals gründeten kubanischen Exilanten eine Organisation zur Verhinderung der Wiederwahl von George W. Bush. Derweil wirbt John Kerry offenkundig um die Stimmen dieses Lagers, das knapp unter 50 Prozent der kubano-amerikanischen Wähler ausmacht. Er ist bemüht, aus der Stimmung Kapital zu schlagen und verspricht eine Aufhebung der Beschränkungen für den Fall seines Wahlsieges. Präsident Bush zeigt sich trotz wachsender Proteste bisher unbeeindruckt.
Hannes Artens hält es für unwahrscheinlich, dass George Bush von seiner Politik der Konfrontation und der Härte gegenüber Kuba abweichen wird. Kerry dagegen werde versuchen, „eine ganz offensichtlich gegensätzliche Position zu beziehen, um damit seinen Unterschied zu George Bush herauszuarbeiten. Ich glaube, dass beide Kontrahenten bei ihrer Position bleiben werden.“ Artens ist der Ansicht, Präsident Kerry würde bei einer Initiative des Kongresses zur Aufhebung der Beschränkungen "aufgrund seiner Wahlversprechen, die er dem moderaten Lager gegenüber gemacht hat, sicher diesbezüglich kein Veto einlegen. Das heißt, die Reisebeschränkungen würden unter Kerry fallen, unter einer Regierung Bush würden sie sicher beibehalten werden."