Kultur der politischen Gewalt
18. Juli 2003Es liest sich wie eine gute Nachricht für ein schwer gezeichnetes Land: Die kolumbianische Regierung unter Präsident Alvaro Uribe und die ultrarechte paramilitärischen Gruppierung "Vereinigte Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens" (AUC) haben vereinbart, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Dies wurde am 16. Juli 2003 bekannt. Die etwa 13.000 Mann starke AUC verpflichtet sich nun, bis zum Jahresende mit der Auflösung ihrer Truppen zu beginnen, den im Dezember 2002 ausgerufenen Waffenstillstand einzuhalten - und ihre Beteiligung am Drogenhandel aufzugeben.
Zumindest an einer der vielen Fronten könnte damit so etwas wie Ruhe einkehren - von Frieden ist Kolumbien aber nach wie vor weit entfernt. Das Land ist seit vielen Jahrzehnten anscheinend hoffnungslos in einer Kultur der politischen Gewalt gefangen, die sich immer wieder erneuert. Schon im 19. Jahrhundert verlor Kolumbien ein Drittel seiner Bevölkerung in Bürgerkriegen, im 20. Jahrhundert kamen nach konservativen Schätzungen 300.000 Kolumbianer bei den inneren Konflikten ums Leben.
Terror von allen Seiten
Nach wie vor bekämpfen in dem Andenland eine ganze Reihe von Konfliktparteien sich selbst und terrorisieren die geschundene Zivilbevölkerung: Rechtsextreme Schwadronen wie eben jene der AUC, Armee und Polizei, die linksextremistischen Guerilla-Gruppen "Ejécito de Liberación Nacional" (ELN) und "Armadas Revolucionarias de Colombia" (FARC), sowie die Bewaffneten im Dienst der Drogenkartelle.
Wer warum wann gegen wen kämpft, ist dabei nicht leicht zu durchschauen: "In Kolumbien ist das alles immer kompliziert", sagt Sabine Kurtenbach, die es als Kolumbien-Expertin des Instituts für Iberoamerika-Kunde (IIK) in Hamburg genau wissen muss. Sie mag die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den Paramilitärs nicht einmal als Hoffnungsschimmer für Kolumbien ansehen. "Positiv wäre aber natürlich schon, wenn dadurch die ständigen Massaker wenigstens lokal begrenzt aufhören würden", sagt Kurtenbach im Gespräch mit DW-WORLD.
"Drecksarbeit für die Regierung"
Die an der Grenze zu Venezuela gelegene Provinz Auraca, wo die Gespräche zwischen den Paramilitärs und der Regierung stattfanden, muss seit Jahren quasi ohne staatliche Zentralgewalt auskommen. Rebellen und Paramilitärs bekämpfen sich dort in einem steten Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Die AUC hat sich dabei offiziell die Vernichtung der Rebellen auf die Fahnen geschrieben. "Man kann das so sehen, dass sie dabei die Drecksarbeit für die Regierung erledigen", meint Kurtenbach. Der AUC-Führer Carlos Castano und seine Truppen hatten vor der letzten Wahl 2002 massiven Druck auf die Bevölkerung zu Gunsten des jetzigen Präsidenten Uribe gemacht. Sie drohten Oppositionelle umzubringen - und taten dies auch.
Nach den Zahlen des UN-Hochkommissariat für Menschenrechte wurden alleine in diesem Jahr 4512 Oppositionelle ermordet, 734 Personen sind im selben Zeitraum spurlos verschwunden. Alleine in den ersten drei Monaten 2003 sind nicht weniger als 60 Gewerkschafter ermordet worden.
Verhandlungen mit den Terroristen
Doch so eng die unbestrittenen Beziehungen zwischen den Paramilitärs und dem politischen und militärischen Establishment auch sind - offiziell gilt Castano als Terrorist. Im Vorjahr gab es nach Angaben der Vereinten Nationen 544 von Paramilitärs zu verantwortende Attentate mit 2447 Todesopfern - die AUC wollte sich damit an den Verhandlungstisch für die Gespräche mit den linksextremen Rebellen bomben. Diese sind inzwischen aber gescheitert, weil die linken Rebellen umfangreiche Vorausforderungen stellen - und die angeregte Vermittlung der UN bisher kategorisch ablehnen. "Um es hart auszudrücken, hat außer der Zivilbevölkerung niemand ein Interesse daran, dass der Konflikt aufhört", sagt Kurtenbach.
Bleibt die Frage, warum dann die AUC und die Zentralregierung in Bogotá jetzt immerhin einen kleinen Schritt in Richtung Verminderung der Gewalt gemacht haben. Die Antwort könnte in Washington zu suchen sein: Die USA haben gegen Castano einen Auslieferungsantrag wegen seiner Machenschaft im Drogengeschäft gestellt. Der hatte noch im vergangenen Jahr getönt, dass 70 Prozent des Budgets der Paramilitärs aus Drogengeschäften stammten. Jetzt könnte er sich durch seine Verhandlungsbereitschaft Rückendeckung von der Zentralregierung erhoffen.
Dass der Drogenstrom in die USA sich dadurch verringern könnte bleibt hingegen eine naive Hoffnung. "Daran sind auch alle anderen Konfliktparteien beteiligt", so Kurtenbach. Wie gesagt, in Kolumbien ist alles kompliziert. Außer, dass es vor allem eine leidtragende Gruppe gibt: die Bevölkerung.