Goethe-Institut: Jahresbilanz in dunklen Zeiten
12. Dezember 2017Sicher, viele der 159 Goethe-Institute (GI) arbeiten ohne nennenswerte politische Behinderungen. Doch warnende Gegenbeispiele häufen sich, was den Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, zu einem ungewöhnlichen Schritt veranlasste: Gleich zu Beginn der Pressekonferenz in Berlin sprach er die Restriktionen an, denen das Goethe-Institut in immer mehr Ländern der Welt ausgesetzt sei.
Probleme bei der Kooperation mit dem türkischen Bildungsministerium
An erster Stelle nannte er die Türkei. Hier gebe es "Probleme in den Bereichen, in denen wir mit dem Bildungsministerium zusammenarbeiten". So sei das Programm "1000 Lehrer in türkischen Schulen" einseitig von der türkischen Seite gestrichen worden.
Als Konsequenz wird nun kein einziger deutscher Lehrer an türkischen Schulen unterrichten können, konkretisierte Lehmann im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auch das Austauschprogramm für türkische Partnerschulen, PASCH genannt, ist betroffen.
Die Regierung in Ankara wollte zum traditionellen Pasch-Jugendcamp in Deutschland als Vorbedingung einen "türkischen Aufpasser" schicken, berichtete der Goethe-Präsident. Weil man darauf nicht eingegangen sei, würden diesmal keine türkischen Jugendlichen teilnehmen. "Das ist besonders schmerzlich", so Lehmann gegenüber der Deutschen Welle. Auch gebe es eine große Zurückhaltung bei deutschen Künstlern und Kultur-Akteuren, in die Türkei zu reisen.
Mit kreativen Projekten wie den drei neu gegründeten "Orten der Kultur" - es handelt sich um einfache Ladenlokale - will das Goethe-Institut "unter dem Radar" der offiziellen Kulturpolitik trotzdem weiter mit der türkischen Zivilgesellschaft Kontakt halten. Die Partner in der Türkei hätten allerdings zunehmend Angst, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten, "weil sie dann in den Ruf kommen, Agenten ausländischer Mächte zu sein", so Lehmann.
Probleme auch in Russland, Ägypten und Kasachstan
Die Türkei ist nicht das einzige Land, in dem sich solche Prozesse beobachten lassen. Ähnliche Zurückhaltung sieht Lehmann auch bei den Goethe-Partnern in Russland und spricht von einer "schwierigen Situation". Behindert werde die Arbeit des Goethe-Instituts auch in Ägypten, so Lehmann weiter.
Es gebe eine "sehr starke Überwachung der Goethe-Arbeit" durch die ägyptischen Sicherheitsbehörden. Aufgrund massiver Zensur gebe es aber auch in den zentralasiatischen Staaten Probleme, etwa in Kasachstan. Das sei auch ein Grund gewesen, warum das Goethe-Institut in den Südkaukasus ausgewichen ist und im Dezember 2017 neue Institute in Eriwan (Armenien) und Baku (Aserbaidschan) eröffnet.
Trotz der massiven Eingriffe in die Arbeit des Goethe-Instituts in diesen und anderen Ländern lehnt Lehmann regierungsamtliche Gegenmaßnahmen ab: "Kulturboykott ist kein Thema", sagte er gleich mehrfach. Und auch andere politische Interventionen der Bundesregierung hält nicht für vernünftig, "weil wir eine Politik für die Zivilgesellschaft machen."
"Kulturboykott ist kein Thema"
Die politisch motivierten Behinderungen nahmen Lehmann und der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, als Beleg für die Relevanz ihrer Arbeit. Diese Relevanz sei insgesamt gewachsen, sagten sie und verwiesen auf die Reichweiten-Steigerung von Kulturveranstaltungen, Sprachkursen und digitalen Bildungsangeboten.
Ein wenig zögerlich verband Ebert das anschließend mit Erwartungen an die neue Bundesregierung, den Etat des Goethe-Instituts anzuheben. Zur Zeit liegt er bei insgesamt 396 Millionen Euro - 135 Millionen Euro sind dabei Eigeneinnahmen aus den Sprachkursen.
2018: "Deutschland-Jahr" in den USA und deutsche Kolonialgeschichte in Afrika
Für 2018 hat sich das Goethe-Institut viel vorgenommen: In den USA will es sich mit einem "Deutschland-Jahr" der seit Donald Trump dramatisch veränderten politischen Lage annehmen. Schwerpunktthemen sind aber auch die gefährdete Freiheit in Europa und die deutsche Kolonialgeschichte in Afrika.
Bisher gebe es noch keine übergreifende Darstellung der deutschen Kolonialgeschichte aus afrikanischer Sicht, so GI-Präsident Lehmann. Das soll nun ein Recherche-Projekt leisten, das afrikanische Kuratoren in jedes der afrikanischen Länder entsendet, das ehemals deutsche Kolonie war. Lehmann ist der Meinung, dass hier ein Defizit besteht: "Die afrikanische Stimme muss auch gehört werden", sagte er der DW. In Deutschland bestehe eine gewisse Gefahr, dass man sich zu stark mit sich selbst beschäftige. Ausdrücklich bezog das Lehmann, ehemaliger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auch auf das neue Humboldt-Forum im Herzen Berlins.