Eine neue Chance für Paphos
29. Januar 2017Die jungen Sängerinnen sind ungeheuer aufgeregt: "Paphos ist eine kleine Stadt und wird kaum beachtet. Das ist für uns eine Chance zu zeigen, wer wir wirklich sind!" Christina, Nicoletta und Antigonae reden vor Begeisterung durcheinander. Sie hoffen auf viele Besucher in diesem Jahr, und ihr "Paphos Musikchor" wird dabei immer wieder eine unterstützende Rolle spielen. Dass die Stadt zum Eröffnungstag noch eine einzige Baustelle ist, finden sie allerdings doch ein bisschen peinlich: "In drei, vier Monaten wird alles fertig sein, ganz bestimmt."
Betonmischer am Eröffnungstag
Die Sängerinnen erzählen, was in den offiziellen Reden nicht vorkommt: wie in den Jahren nach der Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt das Budget für die damit verbundene Stadterneuerung in Korruption versickerte und die Bauarbeiten liegen blieben. Erst im vorigen Jahr wurde ein neuer unabhängiger Bürgermeister gewählt, seitdem kamen die Projekte wenigstens in Gang.
Aber die verfallene Altstadt von Paphos ist nach wie vor eine große Baugrube. Der Platz vor dem Rathaus ist einigermaßen fertig, überall sonst stapft man aber an Bauzäunen vorbei durch den Sand. Noch am Eröffnungstag rollen die Betonmischer. Der frühere Bürgermeister sitzt übrigens im Gefängnis.
"Die Stadterneuerung ist das Erbe, das wir für Paphos hinterlassen wollen", sagt Anastazia Anastassiou vom Organisationsteam. Eigentlich sollten die Arbeiten parallel laufen. Ziel war es, mit einem Budget von fast 60 Millionen Euro die völlig aufgegebene Altstadt wieder zum Leben zu erwecken. Die Touristen kommen nämlich nur in den Hafenort Kato Paphos, die alte Oberstadt mit ihren staubigen Gassen und einstürzenden Altbauten verfiel zunehmend.
"Tisch der Wiedervereinigung"
Jetzt soll zum Bespiel der alte türkisch-zypriotische Gasthof "Ismail's Khan" wieder aufgebaut werden und zukünftig einen Veranstaltungsort für Konzerte und Aufführungen beherbergen. Hier wird auch der "Tisch der Wiedervereinigung" aufgestellt, den eine Künstlergruppe um den Briten Anthony Heywood konzipiert hat. Er ist zusammengefügt aus Holzteilen, die bei den Aufräumarbeiten in den zerstörten Straßen des türkisch-zypriotischen Stadtteils Mouttala gefunden wurden. Nach der Teilung der Insel verließen die Einwohner ihre Häuser und zogen in den Norden. Der Tisch soll Symbol für den politischen Einigungsprozess auf der geteilten Insel werden. Der ist weit gediehen, aber noch ist der Durchbruch nicht da. "Die jungen Leute auf Zypern hoffen darauf", sagt Anastazia. Aber bei der Generation der Väter gebe es noch Reste vom alten Hass der Volksgruppen gegeneinander.Ein paar Ecken weiter. Die Wiedererrichtung des alten Markideion-Theaters ist noch nicht vollendet, das Ganze befindet sich noch im Rohbau. Es wird wohl in diesem Jahr noch nicht als Spielort fertig werden - wie auch die städtebauliche Verbindung zwischen den verschiedenen Orten des kulturellen Erbes noch der Phantasie überlassen ist. Der Masterplan, den eine Architektengruppe für Paphos 2017 entworfen hatte, braucht noch ein paar Jahre zur Umsetzung.
Umsonst und draußen
Die Organisatoren von Paphos 2017 haben aus der Not eine Tugend gemacht. Weil es keine Konzertsäle und Theater gibt, finden alle Veranstaltungen unter freiem Himmel statt: Der Platz vor der mittelalterlichen Burg am Hafen wird ebenso bespielt wie das Amphitheater in der antiken Stadt Paphos mit ihren Mosaiken aus vorchristlicher Zeit. Und diese Jahrtausende alte Vergangenheit der Stadt ist eines der wiederkehrenden Themen.
Es gibt Straßentheater und Installationen, darüber hinaus steht das Kulturjahr im Zeichen der Musik: So kommen zum Beispiel im Mai die Berliner Philharmoniker. Abgesehen von diesem Klassik-Highlight will Paphos 2017 vor allem die Musik der Mittelmeeranrainer präsentieren: Luz Cazal aus Spanien, Mísia aus Portugal, das Khoury-Ensemble mit seiner Mischung aus arabischer und östlicher Musik. Das warme Klima auf der Insel soll mit diesem Programm das ganze Jahr über Zypern-Besucher nach Paphos locken. Der Open-Air Charakter hat bei der Bewerbung um den Titel als Kulturhauptstadt eine entscheidende Rolle gespielt. Und das winzige Budget von nur rund acht Millionen Euro hat die Organisatoren dazu gezwungen.
Eine Chance für Paphos
Die Götting Aphrodite soll vor Paphos aus dem Meer entstiegen sein, und so spielt die Eröffnungsveranstaltung auf die griechische Mythologie an. Heimische Chöre und Tänzer führen die Geschichten des Bildhauers Pygmalion auf, der sich in eine seiner eigenen Statuen verliebt. Sie wird zum Leben erweckt, und das Kind der beiden heißt Paphos - das ist schon die ganze Gründungsgeschichte, in der jetzt ein neuer Akt geschrieben werden soll.
Und weil alle Kultur verbunden ist, wurden die Zyprioten unterstützt vom Jazzorchester aus Aarhus, der Partner-Kulturstadt in Dänemark. Auch die dänische Verbindung hat übrigens Geschichte: Der mittelalterliche König Erik I. erkrankte auf seiner Pilgerfahrt nach Konstantinopel schwer. Er musste seine Rückreise in Paphos unterbrechen, wo er im Jahr 1103 starb und begraben wurde. So reisen auch die Dänen in ihre eigene Vergangenheit zurück, wenn sie Paphos auf der Suche nach seiner Zukunft helfen.