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Politik

Kämpfe um libysche Hauptstadt eskalieren

8. April 2019

In ganz Tripolis sind Kampfgeräusche zu hören. Nach Luftangriffen hat der einzige noch funktionierende Flughafen seinen Betrieb eingestellt. Die EU fordert einen sofortigen Stopp der Kampfhandlungen.

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Libyen Luftangriff auf Flughafen Mitiga in Tripolis
Zeugnis des Luftangriffs auf den Flughafen Mitiga: Ein Bombenkrater neben einer RollbahnBild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Man appelliere an alle Akteure, eine humanitäre Waffenruhe einzuhalten und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sagte die EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. "Die Europäische Union wird vereint auf die Parteien und die regionalen Akteure zugehen, um in diese Richtung Druck auszuüben." Es sei im Interesse aller Europäer, dass die derzeitige militärische Eskalation nicht in einen echten Bürgerkrieg münde.

Unterdessen erreichten die Kämpfe auch den einzig verbliebenen Flughafen von Tripolis. Kampfjets hätten den militärischen Teil des Flughafens Mitiga bombardiert, sagte ein Sprecher der libyschen Einheitsregierung. Der Flugbetrieb sei eingestellt und der Flughafen evakuiert worden. Flüge würden bis auf Weiteres ins 200 Kilometer entfernte Misrata umgeleitet.

Hamsterkäufe in Tripolis

Reisende seien in Panik geraten, berichteten Vertreter der Flughafenverwaltung. Ein Geschoss soll in einem Rollfeld eingeschlagen sein. Bilder in den sozialen Netzwerken zeigten Rauchsäulen über dem Flughafen. Die Kampfgeräusche waren in der ganzen Stadt zu hören: Kampfflugzeuge, Maschinengewehrfeuer, ebenso wie die Einschläge von Granaten und Bomben. Augenzeugen berichteten der Deutschen Presse-Agentur von Hamsterkäufen in der Hauptstadt Tripolis. Die Menschen fürchteten dauerhafte Kämpfe und deckten sich vor allem mit Treibstoff und Lebensmitteln ein.

Libyen Mitglieder der National Army LNA in Bengasi
Kämpfer der Nationalen Libyschen Armee (LNA) von General Chalifa HaftarBild: Reuters/E. O. Al-Fetori

Seit Donnerstag rückt die "Libysche Nationalarmee" (LNA) des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis vor. Haftar gilt als mächtigster Gegenspieler von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch. Dessen international anerkannte Regierung der nationalen Einheit rief eine Gegenoffensive aus. Mindestens 49 Menschen sollen bei den Kämpfen bereits ums Lebens gekommen sein, 2800 sind nach Angaben der Vereinten Nationen auf der Flucht. Die UN warnten vor einer weiteren Eskalation der Situation.

Stellvertreter-Krieg im Erdölland

Haftar unterstützt mit seinen Truppen eine Gegenregierung, die im Osten Libyens herrscht. Ihm war es in der Vergangenheit gelungen, mit einer Reihe erfolgreicher Militäreinsätze den Osten und große Teile des Südens Libyens unter seine Kontrolle zu bringen. Unterstützt wird der General von Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Ägypten.

Der 75-Jährige gilt als aggressiver Machtmensch, der im von jahrelanger Gewalt geplagten Libyen um immer mehr Einfluss ringt. Der abtrünnige General selbst hat sich den Kampf gegen den Islamismus auf die Fahnen geschrieben. Seine Kritiker werfen ihm vor, er plane eine neue Militärdiktatur.

Putsch gegen Gaddafi

Haftar war ein langjähriger Weggefährte von Muammar al-Gaddafi und späterer Gegner des Machthabers. Der Berufsoffizier wurde in der ehemaligen Sowjetunion ausgebildet. 1969 war er am Militärputsch unter Gaddafi gegen König Idris beteiligt und setzte anschließend unter dem neuen Machthaber seine militärische Karriere fort.

LNA Chef Khalifa Haftar
Will an die Macht: General Chalifa HaftarBild: picture-alliance/ Balkis Press

Während Libyens Krieg gegen den Tschad (1978-1987) geriet Haftar in Gefangenschaft. Die libysche Führung ließ ihn fallen und behauptete, der General gehöre nicht ihrer Armee an. Unter ungeklärten Umständen wurde er von den USA befreit und lebte dort fast zwei Jahrzehnte im Exil. Seine Kritiker werfen ihm vor, in dieser Zeit für den Geheimdienst CIA gearbeitet zu haben. Im März 2011 kehrte Haftar nach Libyen zurück, um sich am Aufstand gegen Gaddafi zu beteiligen.

Druck aus Washington

Sein Rückhalt in den USA scheint indes zu bröckeln. Die USA forderten Haftar auf, die Offensive unverzüglich zu stoppen. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, die USA seien wegen der Kämpfe sehr besorgt. Alle beteiligten Parteien seien dafür verantwortlich, die Lage dringend zu deeskalieren, wie der UN-Sicherheitsrat und die G7-Minister am 5. April betont hätten.

USA, Washington: Nato Treffen Tag 2
US-Außenminister Mike PompeoBild: picture-alliance/dpa/P. Martinez Monsivais

"Diese einseitige Militäraktion gegen Tripolis gefährdet Zivilisten und untergräbt die Aussichten auf eine bessere Zukunft für alle Libyer", erklärte Pompeo. Für den Konflikt gebe es keine militärische Lösung. Eine politische Lösung sei der einzige Weg, um das Land zu vereinen. Trotz der Kämpfe will die UN nach eigenen Angaben an einer für Mitte April geplanten Allparteienkonferenz festhalten.

Blockade im UN-Sicherheitsrat

Russland hatte zuvor im UN-Sicherheitsrat eine Erklärung zu Libyen blockiert, in der ein Ende des Vormarsches der Truppen von General Chalifa Haftar gefordert werden sollte. Moskau pochte nach Diplomatenangaben darauf, dass alle Konfliktparteien zu einem Ende der Kämpfe aufgerufen werden. Die USA lehnten eine solche Änderung am Text aber ab.

Der UN-Sicherheitsrat hatte Haftars Truppen vergangenen Freitag in einer Presseerklärung aufgefordert, "sämtliche Truppenbewegungen einzustellen". Großbritannien legte dann einen formaleren Text vor. Darin werden Haftars Einheiten aufgefordert, jegliche militärische Aktivität einzustellen. Alle Konfliktparteien werden zu einer Deeskalation aufgerufen. Dieser Text scheiterte aber am Widerstand Russlands.

Chaos seit acht Jahren

Seit der Militärintervention der NATO in Libyen und dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in dem nordafrikanischen Land Chaos. Die Regierung in Tripolis ist schwach und hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle.

cgn/sti/uh/ww (dpa, dpae, afp)