Zwischen Realität und Euphorie
20. August 2017Die Boxen auf der kleinen Bühne bei der Saisoneröffnung des 1. FC Köln wummern. Die Band Mo-Torres schmettert die neue Europapokal-Hymne in die Mikros und die knapp 50.000 FC-Fans singen lauthals mit. "Endlich ertönen unsere Lieder von Mailand bis nach Riga, wir sind international." Die Vorfreude auf die bevorstehende Saison ist bei den Anhängern hör- und spürbar. Nach 25 Jahren werden die Kölner ihre Farben wieder auf internationaler Bühne präsentieren können.
"Wir haben nichts zu verlieren. Keiner hat letztes Jahr damit gerechnet, dass wir es schaffen. Wir haben es dann aber doch gepackt", erinnert sich Abwehrspieler Dominique Heintz an den 34. Spieltag der vergangenen Saison. Die Kölner besiegten in diesem Spiel den FSV Mainz 05 und zogen unter großem Jubel in den Europapokal ein. "Wir können nur gewinnen", sagt Heintz. Auch Mannschaftskollege Marco Höger lässt sich aufgrund der großen Euphorie nicht nervös machen: "Druck machen wir uns keinen. Wir freuen uns darauf", sagt er. "Wir wollen erfolgreich spielen und dann gucken wir mal, wie weit wir kommen."
"Tony war außergewöhnlich"
Der Vorfreude in Köln wurde vor einigen Wochen jedoch ein herber Dämpfer versetzt. Torjäger Anthony Modeste wechselte nach China und seine Tore werden dem FC in der bevorstehenden Spielzeit sicher fehlen. "Tony war, was den Abschluss anging, außergewöhnlich. Aber die anderen Jungs bringen etwas anderes ein. Sie sind robust, haben Zug zum Tor", sagte Trainer Peter Stöger dem Kicker-Magazin. Jhon Cordoba und Sehrou Guirassy sollen die Lücke, die Modeste hinterlassen hat, füllen. "Es sind richtig gute Stürmer", weiß Stöger und hofft auf viele Tore der beiden Neuzugänge.
Europa League, DFB-Pokal und die Bundesliga - die Kölner müssen sich in drei Wettbewerben beweisen, das gab es seit 25 Jahren nicht. Das ist normalerweise auch für den Trainer eine neue Situation, nicht aber für Stöger. "Man kann immer alles größer verkaufen als es ist. Wir haben zum Teil etwas Neues, wir haben englische Wochen, aber mein Trainerjob ist es, sich darauf einzustellen und dafür zu sorgen, dass die Mannschaft so frisch wie möglich ist", sagt der Coach in seiner gewohnt ruhigen Art, wohlwissend, dass die Erwartungen im Kölner Umfeld traditionell hoch sind. "Ich gehe jetzt in meine fünfte Saison mit dem FC", sagt der 51-Jährige. "Ich habe gefühlt noch nie eine Woche gehabt, wo es keine Erwartungshaltung gab. Egal, wer der Gegner war, egal wie die Tabellensituation war. Für mich hat sich deswegen nicht viel verändert."
Stöger und Schmadtke bauen FC um
In den vergangenen vier Jahren hat der Trainer aus Österreich gemeinsam mit Manager Jörg Schmadtke den Verein Stück für Stück umgebaut. Das einstige Image des "Chaos-Klubs" gehört der Vergangenheit an. Mit Stöger kam der Erfolg, aber vor allem die Ruhe, die dem FC lange Jahre gefehlt hatte. Erst gelang ihm in seinem Premieren-Jahr der Aufstieg in die Bundesliga, jetzt die Qualifikation für die Europa League.
Trotz des Erfolgs bleibt Stöger entspannt. Die Vorzeichen für die Europapokalsaison sind gut. Das Trainerteam hatte während der Vorbereitung fast alle Spieler an Bord und konnte konzentriert arbeiten. Lediglich Jonas Hector, der mit der Nationalmannschaft den Confed-Cup in Russland gewinnen konnte, stieß erst vor wenigen Wochen zur Mannschaft. "Die Stimmung im Team ist gut. Es sind fast alle fit", sagt Neuzugang Jannis Horn. "Wir konnten immer mit vielen Spielern trainieren. Das ist für eine Mannschaft echt super. Wir freuen uns auf die kommende Saison."
Derby das "Highlight des Jahres"
Der erste Bundesliga-Spieltag beginnt gleich mit einem echten Kracher, das Derby gegen Borussia Mönchengladbach. "Es gibt doch nichts Schöneres, als mit einem Derby in Gladbach zu starten", freut sich Heintz auf das Duell. "Da wird gleich richtig gefightet. Wir müssen mit der richtigen Spannung spielen und uns natürlich voll reinhauen. Mit unseren Fans im Rücken, wird das Derby ein sehr schöner Start." Für den Trainer ist es sogar das "Highlight des Jahres." Für den Start in die Europa-League-Saison gebe es nichts Besseres.
Stöger möchte mit seiner Mannschaft den nächsten Schritt gehen, auch wenn die Saisonziele nicht höher gesteckt werden als im Vorjahr. Die Top-Ten wolle man erneut erreichen, da sind sich Mannschaft, Trainer und Vorstand einig. "Der Fokus liegt auf der Meisterschaft. Seit dem Aufstieg standen wir nie auf einem Relegationsplatz", betont Stöger und ergänzt: "Wenn wir das wieder schaffen und ohne große Probleme nach oben schauen können, wäre das eine wunderbare Saison."