Rechtens oder rassistisch?
2. Januar 2017"Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen." Diese Twitter-Mitteilung der Kölner Polizei aus der vergangenen Silvesternacht hat eine Debatte über Rassismus bei der Polizei ins Rollen gebracht: Der Begriff "Nafri" steht bei der Polizei - eigentlich intern - für nordafrikanische Intensivtäter.
Kaum war der Tweet gesendet, machte sich auf Twitter Empörung breit. Und, wie üblich, ließ auch die Empörung über die Empörung nicht lange auf sich warten.
Der Begriff hätte besser nicht nach außen verwendet werden sollen, räumte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies ein und betonte, dass die allermeisten in Deutschland lebenden Nordafrikaner natürlich keine Straftäter seien.
Verdächtigungen aufgrund der Herkunft?
Doch die Wortwahl schürt den Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes der Polizei. Die nämlich hatte rund 1000 Männer, vor allem solche mit nordafrikanischem Aussehen, gleich am Bahnhof abgefangen und überprüft. War das "Racial Profiling"?
Der englische Ausdruck bezeichnet die umstrittene Praxis, dass Polizisten und andere Vollzugsbeamte unveränderliche äußere Merkmale als Gründe für abstrakte oder konkrete Verdächtigungen heranziehen. Üblicherweise handelt es sich um Merkmale, die auf bestimmte ethnische (engl.: racial) Zugehörigkeiten hindeuten. Träger dieser Merkmale werden dann zum Beispiel häufiger kontrolliert oder überwacht als Menschen mit ansonsten ähnlichen Profilen.
In den USA ist Racial Profiling weitgehend verboten. Doch insbesondere seit immer wieder tödliche Schüsse von Polizisten auf Schwarze Schlagzeilen machen, wird sehr emotional diskutiert, ob es nicht trotzdem gängige Praxis ist.
Unterschiede zwischen Hooligans und Nordafrikanern
Genau dieser Vorwurf stehe nun gegen die Polizei in Köln im Raum, sagt Alexander Bosch von Amnesty International: dass sie "Racial Profiling" betrieben habe. Im Gespräch mit der DW sagte der Fachreferent für Anti-Rassismus, Polizei und Menschenrechte: "Personenkontrollen, die nur oder hauptsächlich auf der Herkunft oder Nationalität der kontrollierten Personen basieren, sind diskriminierend und menschenrechtswidrig und verstoßen gegen die Internationale Anti-Rassismus-Konvention (ICERD)."
Bei der Menschenrechtsorganisation sei man besorgt, das Vorgehen der Kölner Polizei könne Stereotypen und gesellschaftliche Vorurteile bestärken. Die Bürger könnten nun etwa annehmen, dass generell alle Männer tatsächlicher oder vermeintlich nordafrikanischer Herkunft von der Polizei als potentiell kriminell eingestuft würden, sagt Bosch.
Den viel bemühten Vergleich mit Hooligans oder Fußballfans, die ebenfalls wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit mit polizeilichen Kontrollen oder einer Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit rechnen müssen, lässt Bosch nicht gelten. So seien Hooligans ja oft polizeibekannt, damit drohten von ihnen konkretere Gefahren. Und die Eigenschaft ein Fußballfan zu sein, gewaltbereit oder nicht, sei kein unabänderliches Merkmal einer Person: "Ich kann mich entscheiden, ein FC-Fan zu sein, aber meine Herkunft ist mir mitgegeben." Genau deswegen schütze die Menschenrechtskonvention eben vor Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Abstammung.
GdP-Vize sieht Rechtmäßigkeit gewahrt
Überlegungen wie die von Amnesty International macht man sich aufseiten von Polizeivertretern nicht zueigen. Im Gegenteil: In diesem Jahr habe die Gefahrenabwehr gerade deshalb funktioniert, weil man verhindert habe, dass vergleichbare Personengruppen wie im vergangenen Jahr zum Kölner Hauptbahnhof gelangen konnten, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jörg Radek der DW. Eine Eskalation der Lage wie im Vorjahr habe man auf diese Weise verhindert.
Grundsätzlich müsse man ähnliche Situationen immer wieder genau analysieren und nach Verbesserungen suchen, so Radek: "Die sehe ich aber bei dem Kölner Einsatz absolut im Minimalbereich." Zur besseren Einschätzung der Lage seien in dieser Silvesternacht viele Beamte im Einsatz gewesen, die auch die Ereignisse im Vorjahr miterlebt hatten. Auch juristisch sei der Einsatz akribisch vorbereitet worden, sagt der GdP-Vize.
Auch Kölns Polizeipräsident Mathies verteidigte das Vorgehen der Beamten. Die Bundespolizei habe zuvor schon aus den Zügen gemeldet, dass "hochaggressive, fahndungsrelevante" Gruppen nach Köln unterwegs seien. Die Polizei habe dann das Gruppenverhalten und auch das Verhalten einzelner Personen beobachtet und davon ausgehend kontrolliert. Im Übrigen seien auch Deutsche genauso überprüft worden.
Amnesty: "Fahndungsrelevant" ist ungenau
Amnesty International hingegen reicht die Beschreibung "fahndungsrelevant" nicht. Sollte hauptsächlich die angenommene "nordafrikanische" Herkunft der Personen das fahndungsrelevante Merkmal gewesen sein, wäre genau das ein klassischer Fall von Racial Profiling und damit unzulässig.
Inhaltlich Recht bekommt die Menschenorganisation von Seiten der Deutschen Hochschule der Polizei. Der Leiter der Abteilung Polizeiliches Einsatzmanagement, Günther Epple, sagte der DW, laut Polizeigesetz dürften Beamte zwar unabhängig von einem konkreten Verdacht Kontrollen durchführen, wenn sie vermuten, dass von einer speziellen Person eine Gefahr ausgehen könnte. Die Einsatzkräfte müssten sich jedoch fragen: "Würde ich auch kontrollieren, wenn die Person eine andere Hautfarbe oder Herkunft hätte?"
Schwierige Aufgabe für die Kölner Polizei
Um Racial Profiling auszuschließen, müssten also Merkmale jenseits von "Mann" und "mutmaßlich nordafrikanischer Herkunft" den Ausschlag gegeben haben, erklärt Epple. Dies könnten zum Beispiel Äußerungen der kontrollierten Personen, ihr Verhalten oder ein Zusammenschluss zu Gruppen sein. Er persönlich gehe aber davon aus, dass die Kölner Beamten diese Kriterien beachtet hätten.
Dass die Kölner Polizei vor einer schwierigen Aufgabe stand, erkennt auch Alexander Bosch von Amnesty an. Dennoch: Aus Sicht des Menschenrechtlers hätte vermutlich die massive Polizeipräsenz an sich ausgereicht, um Straftaten in der Silvesternacht zu verhindern. "Sicherlich wären die Beamten bei Vorfällen rechtzeitig und konsequent eingeschritten", glaube er. Um den Vorwurf des Racial Profilings von vornherein auszuschließen, könne es künftig sinnvoll sein, über allgemeine Kontrollen an besonders besuchten Orten zu Silvester, wie etwa der Umgebung um den Kölner Dom, nachzudenken.