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Kürzere Wehrpflicht im Eilverfahren

11. Juni 2010

In ungewöhnlich kurzer Zeit will die Bundesregierung eine Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate durchsetzen. Diese soll bereits zum 1. Juli in Kraft treten. Noch wird parteiübergreifend gerungen.

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Mit Blattwerk getarnte Wehrpflichtige liegen mit Gewehren auf dem Bauch, im Hintergrund werden sie von ihren Kameraden beobachtet (Foto: dpa)
Schon bald kürzere Dienstzeit? - Wehrpflichtige in der AusbildungBild: picture-alliance/dpa

Trotz der andauernden Debatte über Aussetzen oder Abschaffen der Wehrpflicht plant die Bundesregierung, den Wehrdienst von neun auf sechs Monate zu verkürzen. Zivildienstleistende, für die diese Änderung auch gelten sollte, würden nach diesen Plänen die Möglichkeit erhalten, ihren Dienst freiwillig um drei Monate zu verlängern.

Nach der Planung des Bundesverteidigungsministeriums könnte die Gesetzesänderung schon zum 1. Juli in Kraft treten. Dies sei wichtig für die Planungssicherheit der jungen Männer, sagte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Freitag (11.06.2010) im Bundestag. Die weitere Diskussion müsse aber ergebnisoffen geführt werden. Bei der Prüfung der weiteren Zukunft der Wehrpflicht werde es angesichts leerer Staatskassen "keine Tabus und keine Denkverbote" mehr geben, sagte er.

Beschluss in der kommenden Woche?

Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: dpa)
Plant, die Wehlpflicht zu verkürzen: Verteidigungsminister Guttenberg im BundetagBild: picture-alliance/dpa

Die Verkürzung des Wehr- und damit auch des Zivildienstes war bereits in den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP im vergangenen Herbst vereinbart worden. Der Bundestag beriet am Freitag erstmals darüber. Bereits in der kommenden Woche könnte die Neuregelung beschlossen werden. Nach Auffassung der Regierung hätte der Bundesrat bei dem Gesetz kein Einspruchsrecht. Die Grünen sehen das anders und behalten sich eine Klage vor.

Redner der Opposition kritisierten massiv das schnelle Vorgehen der Bundesregierung. Neben Grünen und Linken wandten sich im Parlament auch Redner der FDP gegen die bisherige Dienstpflicht. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold warf Minister Guttenberg die "Demütigung aller seriösen Außen- und Verteidigungspolitiker in der Union" vor. Er plädierte für eine Beibehaltung der Wehrpflicht. Auch innerhalb der Unionsparteien gibt es massive Bedenken.

Reformpläne bis Anfang September

Das Kabinett hatte kürzlich bei seiner Sparklausur eine Reduzierung der Bundeswehr um bis zu 40.000 Zeit- und Berufssoldaten beschlossen. Guttenberg argumentierte, dass unter diesen Umständen die Wehrpflicht in ihrer jetzigen Form nicht mehr aufrecht zu erhalten sei. Bis Anfang September will der Minister ein Konzept für eine Strukturreform der Bundeswehr vorlegen.

Guttenberg betonte aber, er sei grundsätzlich für die Wehrpflicht. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte sich dazu, erklärte aber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Guttenberg dürfe über alles nachdenken.

Wehrpflicht seit 1956/57

Bundeskanzler Adenauer (l.) und Generalmajor Lägeler (r.) schreiten am 20. Januar 1956 in Andernach an den ersten Freiwilligen der neu gegruendeten Bundeswehr vorbei (Foto: AP)
1956: Bundeskanzler Adenauer (l.) und Generalmajor Lägeler (r.) vor Bundeswehr-FreiwilligenBild: AP

Die allgemeine Wehrpflicht war in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1956 eingeführt worden. Die ersten Rekruten waren 1957 in die Kasernen eingerückt. Seitdem wurden mehr als acht Millionen junge Menschen einberufen. Die Dauer des Wehrdienstes schwankte in den vergangenen mehr als 50 Jahren stark. Anfangs wurden Wehrpflichtige für zwölf Monate eingezogen. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 betrug die Wehrpflicht von 1962 bis 1972 sogar 18 Monate. Auch in der damaligen DDR gab es ab 1962 einen verpflichtenden Dienst an der Waffe dieser Länge.

In der Bundesrepublik wurde der Wehrdienst dann 1973 auf 15 Monate und 1990 auf zwölf Monate verkürzt. Nach der Wiedervereinigung sank die Dauer des Wehrdienstes weiter: zunächst auf zehn und seit Januar 2002 auf neun Monate.

Inzwischen entscheiden sich in Deutschland mehr Menschen für den Zivil- als für den Wehrdienst. So wurden allein im Jahr 2009 rund 68.000 junge Menschen zum Wehrdienst einberufen, aber mehr als 90.000 entschieden sich für den Zivildienst. Seit der Wiedervereinigung ist die Zahl der Wehrpflichtigen deutlich gesunken. Dies hatte immer wieder Debatten darüber ausgelöst, ob die Wehrpflicht noch gerecht ist.

Autor: Herbert Peckmann (dpa, afp, kna, rtr)

Redaktion: Dirk Eckert