Lösung noch weit entfernt: Die Kosovo-Krise
8. Februar 2019In diesen Tagen vor 20 Jahren begann im französischen Rambouillet die internationale Friedenskonferenz über den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Serbien und dem fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovo. Belgrad lehnte die dort präsentierten Vorschläge ab. Die Nato begann am 24. März 1999 ihren ersten Kampfeinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Bomben zwangen das serbische Militär und viele Freischärlerverbände zum Rückzug aus dem Kosovo, nachdem sie zuvor bis zu 800.000 Albaner vertrieben hatten. Seitdem steht das Kosovo, das sich 2008 auch offiziell von Serbien abspaltete und zum jüngsten Staat Europas wurde, mehr oder weniger unter internationaler Aufsicht. Die von der NATO geführte Schutztruppe KFOR garantiert für die Sicherheit. Die EU bemühte sich zehn Jahre lang, mit ihrer größten Auslandsmission (EULEX) Kosovo zu einem demokratischen Rechtsstaat zu formen.
Die Lage
Kosovo gilt nach wie vor als einer der korruptesten Staaten weit und breit. Medien und Justiz hängen am Gängelband der Politik. Waffen-, Drogen- und Menschenschmuggel sind wichtige "Wirtschaftszweige". Die Arbeitslosigkeit ist gewaltig. Wer kann, wandert daher nach Westeuropa aus. In Serbien sieht es ganz ähnlich aus, auch wenn das Land offizieller EU-Beitrittskandidat ist. Die EU-Kommission hat sogar als mögliches Beitrittsdatum das Jahr 2025 angepeilt. Obwohl die EU seit vielen Jahren zwischen den verfeindeten Nachbarn vermittelt, sind größere Fortschritte zur Entschärfung des Dauerkonflikts ausgeblieben. Gerade erst wurde die EU im serbischen Parlament wieder als "zahnloser Tiger" verspottet.
Warum geht in diesem Krisenhotspot nichts voran, obwohl die USA und die EU ein Heer von Diplomaten und Experten sowie viele Milliarden Euro bereitgestellt hatten? Die Lage hat sich in den letzten Wochen sogar noch verschärft. Die Gesprächsfäden zwischen Belgrad und Pristina sind weitgehend abgerissen.
Die Kosovo-Albaner haben den Aufbau einer eigenen Armee beschlossen. Die Reaktionen Serbiens schwangen zwischen Wut und Ohnmacht. Pristina führt eine Importsteuer von 100 Prozent auf serbische Waren ein, weil Belgrad das Kosovo völkerrechtlich nicht anerkennen will. Die wirtschaftlichen Schäden Serbiens werden offiziell auf über 100 Millionen Euro beziffert. In der letzten Woche hat das Kosovo-Parlament das Bergwerk Trepca per Gesetz nationalisiert, obwohl dieses zentrale Unternehmen zwischen den beiden Nachbarstaaten seit langem strittig ist.
Kein Interesse an Fortschritten im Kosovo-Konflikt
Es gibt einige prinzipielle Hürden, die eine Lösung der Kosovo-Krise verhindern. Denn praktisch niemand hat ein Interesse an einer schnellen und dauerhaften Entschärfung dieses Konflikts. Serbiens alles beherrschender Präsident Aleksandar Vucic ist ein sehr guter Schachspieler. Ob auch sein russischer Amtskollege Wladimir Putin schachbegeistert ist, ist nicht bekannt. Jedenfalls sind beide Spitzenpolitiker Meister der Taktik auf dem politischen Schachbrett Balkan.
Nach neueren Studien hat Moskau kein Interesse, dass die Kosovofrage endgültig beantwortet wird. Denn dann würde Russland seinen Einfluss in der Region verlieren. Schließlich verhindert es im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto, dass Kosovo-Beschlüsse gegen die Interessen seines engen serbischen Verbündeten gefasst werden. Und bindet so Serbien als größtes und wichtigstes Land auf dem Westbalkan fest an sich.
Serbien
Serbiens Vucic ist mit dem Thema Kosovo groß geworden. Erst als Juniorpartner des 2006 im UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gestorbenen Slobodan Milosevic, dem die meisten Kriege im auseinandergefallenen Jugoslawien der 90er Jahre angelastet werden. Vucic ist seit sieben Jahren an der Macht. Die hat er auch seinem Versprechen gegenüber Berlin, Washington und Brüssel zu verdanken, sich für eine Kosovo-Lösung einzusetzen. Dafür hat ihm der Westen innenpolitisch freie Hand gelassen. Niemand kritisiert ernsthaft, dass Vucic ein immer autokratischeres Herrschaftssystem aufgebaut hat. Sollte der Präsident aber wirklich den Kosovo-Konflikt beenden, fiele für ihn diese Sonderbehandlung durch den Westen weg. Vucic müsste dann mit echter Kritik an seiner Missachtung demokratischer Institutionen sowie an der Lenkung von Justiz und Medien rechnen. Außerdem: Belgrad überweist nach eigener Darstellung Jahr für Jahr 500 Millionen Euro an die serbische Minderheit im Kosovo. Das Geld wird weitgehend ohne Kontrolle verwaltet. Da bleibt natürlich immer etwas in privaten Taschen hängen.
Kosovo
Auch im Kosovo sind die führenden Politiker nicht an einem dauerhaften Frieden mit dem Nachbarn Serbien interessiert. Präsident Hashim Thaci und Regierungschef Ramush Haradinaj sind im bewaffneten Kampf gegen Serbien groß geworden. Auch heute beziehen sie ihre Anerkennung bei der Bevölkerung aus ihrem Anti-Serbentum. Sowohl in Serbien als auch im Kosovo ist die Opposition noch deutlich radikaler als die Regierenden. In Belgrad beschuldigt die nationalistische Opposition Vucic, allein durch seine Gesprächsbereitschaft gegenüber Pristina Landesverrat zu begehen. Die nationalistische Kosovo-Oppositionspartei Vetevendosje würde lieber heute als morgen jeden Kontakt mit Serbien abbrechen, bis die Selbstständigkeit auch von Belgrad anerkannt ist.
Ausblick
Die USA haben unter Präsident Donald Trump im Weltmaßstab ganz andere Probleme und lassen den Balkan links liegen. Die EU hat nach vielen weitgehend erfolglosen Vermittlungsanläufen offensichtlich ihr Engagement zurückgefahren. Niemand glaubt, dass die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini angesichts der für Mai anstehenden Wahlen zum Europaparlament noch einmal mit einer neuen großen Kraftanstrengung versucht, den Kosovo-Konflikt doch einer Lösung näher zu bringen. Alles deutet auf das Einfrieren dieses Kosovo-Konflikts hin. Die Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen wird dadurch nicht kleiner.