"Hotel Lux" im Kino
26. Oktober 2011Mit Hitler und Stalin Scherz treiben, das ist nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht im Kino. Nationalsozialismus und Stalinismus eignen sich ja nicht gerade als Komödienstoff. Und trotzdem haben es einige Filmkünstler immer wieder gewagt. Charlie Chaplin ("Der große Diktator") und Ernst Lubitsch ("Sein oder Nichtsein"), später dann Mel Brooks ("Frühling für Hitler") und Roberto Benigni ("Das Leben ist schön") - alle haben es geschafft, die düstere Thematik in ein komödiantisches Kleid zu verpacken und damit ihre Botschaft zu transportieren - eine Botschaft der Menschlichkeit und auch der Auflehnung.
An diesen schwierigen Spagat hat sich nun auch der deutsche Regisseur Leander Haußmann mit seinem Film "Hotel Lux" versucht. Auch Haußmann war sich des Risikos bewusst: "Die Geschehnisse, die wir unmittelbar mit dem Schicksal von 20 Millionen Opfern verbinden, sind Dramen und damit extrem komödienunfreundlich."
Auffangbecken und tödliche Falle
Haußmann schickt seine beiden Hauptdarsteller Bully Herbig und Jürgen Vogel, die zwei Vollblutkomödianten im Berlin der 1930er Jahre spielen, nach Moskau. Dort werden sie in die Wirren des Zweiten Weltkriegs gezogen. Schauplatz des Films ist jenes berühmt-berüchtigte Hotel Lux im Zentrum Moskaus, das Auffangbecken für verfolgte Kommunisten aus aller Welt war - aber auch eine tödliche Falle für all jene, die ins Zielfernrohr von Stalins unerbittlichen Häschern geraten.
Das wird nicht jedem gefallen. Witze zu reißen – und seien sie noch so subtil – über historische Gräueltaten, über Mord und Folter, das wird viele Zuschauer eher abschrecken. Und doch: Haußmann und sein Team haben es verstanden, aus dem an historischen Fakten angelegten fiktiven Stoff eine absurde Komödie zu machen. Haußmann nutzt die komödiantischen Elemente, um die Zuschauer für den ernsten Stoff zu interessieren: "Wir produzieren keine Schenkelklopfer, sondern zeigen eine Figur, die auf der Flucht ist und in ein Labyrinth verwirrender Ereignisse gerät. Vieles, was im Hotel Lux passiert ist, ist absurd und folgt einem unlogischen System, aus dem wieder Komik entsteht."
Lachen und Weinen
Und tatsächlich: Der Film funktioniert auf beiden Ebenen. Irrwitzige Szenen wechseln sich mit Sequenzen ab, bei denen dem Zuschauer das Lachen im Halse stecken bleiben dürfte. Haußmanns "Hotel Lux" vermittelt durchaus einen Eindruck von den Schrecken des berüchtigten Hotel-Gefängnisses mit allen Härten. "Das Lux war ein konspiratives Hotel, konspirativ nach innen und außen - ein Geheimnisträger", schrieb die österreichische Kommunistin Ruth von Mayenburg, die einige Jahre im Lux verbrachte, später in ihren Erinnerungen.
"Es gab keine Gästeliste. Keine Totenliste gab darüber Auskunft, wer jemals darin gewohnt hat", erzählt von Mayenburg, eine der wichtigsten Zeitzeuginnen des deutschsprachigen Raums. "Bei den Anreisenden stimmte in den meisten Fällen der Passname nicht mit dem Personennamen überein, nicht der Personenname mit dem Parteinamen, mit den wechselnden Deck- und Rufnamen." Es ist gerade dieses Spiel um wechselnde Identitäten, das der Film aufgreift und in Szene setzt.
Ein Stück eigene Biografie
Dass dabei nicht alle Gags gleichermaßen funktionieren, versteht sich von selbst. Doch unterm Strich hat Leander Haußmann mit "Hotel Lux" an seine stärksten Filmarbeiten anknüpfen können - wohl auch, weil er ein Stück eigene Biografie im Film verarbeitet hat. "Als Bürger der DDR ist er selbst in einer kommunistischen Umgebung aufgewachsen", sagt Produzent Günter Rohrbach. "Er hat persönlich erfahren, wie ein Künstler mit einem solchen System umgehen muss." Diese Erfahrung sieht man dem Film an. "Hotel Lux" ist eine gelungene Komödie über eine schreckliche historische Ära.
Die Filmwissenschaftlerin Margit Frölich beschäftigte sich in ihrem Buch "Lachen über Hitler - Auschwitz-Gelächter" eingehend mit dem Thema der filmischen Parodie und ist sogar davon überzeugt, dass gerade ein ironischer Umgang mit historischen Figuren der Aufklärung eher angemessen ist: "In den aufklärenden Projekten wie 'Der Untergang' besteht eher die Gefahr, den Mythos Hitler weiter zu produzieren. Subversiv denkende Künstler aber setzen auf einen anderen Trend: Hier geht es einfach darum, die Aura dieser Figur gründlich zu zertrümmern."
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Angela Müller