1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Liebäugelt Berlin mit "Five Eyes"?

Michael Knigge / db6. November 2013

Berlin möchte, dass die USA ihre Abhöraktivitäten in Deutschland zurückfahren. Noch lieber wäre der Bundesregierung allerdings die Vollmitgliedschaft im exklusiven "Five Eyes" Geheimdienst-Bündnis.

https://p.dw.com/p/1ABpI
Computerbildschirm mit Einsen und Nullen und dem Schriftzug "Merkel". Darüber ist ein Handy-Display mit dem Namen "Angela Merkel" eingeblendet. (Foto: Reuters/Kai Pfaffenbach)
Bild: Reuters

Zwei Monate nach dem ersten offiziellen Besuch von Präsident Barack Obama in der Bundesrepublik und wenige Wochen vor den Bundestagswahlen häuften sich Enthüllungen über angebliche US-Spionageaktivitäten in Deutschland. Die Empörung in der Öffentlichkeit war groß - und in Berlin fasste man einen Plan, um die Folgen der Affäre zu dämpfen.

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla verkündete am 12. August gegenüber Journalisten, Deutschland werde einfach ein No-Spy-Abkommen mit den USA abschließen, und fügte hinzu, US- und britische Geheimdienste hätten ihm schriftlich versichert, keine deutschen Gesetze verletzt zu haben. Ein No-Spy-Abkommen, so Pofalla, biete die einmalige Chance, gemeinsame Standards für westliche Geheimdienste festzulegen. Die NSA Abhör-Affäre erklärte er für beendet.

Drei Monate später ist die Späh-Affäre alles andere als beendet. Im Gegenteil: Sie ist bei der Bundeskanzlerin persönlich angekommen. Immerhin machen laut Medienberichten die Verhandlungen zum Anti-Spionage-Abkommen Fortschritte. Anfang 2014 soll die Arbeit am Abkommen abgeschlossen sein.

Wie das Abkommen im Detail aussieht, ist noch unklar; darüber wird diese Woche in Washington verhandelt. Nach 9/11 kann man allerdings nicht davon ausgehen, dass die US-Geheimdienste einfach sämtliche Spionage-Aktivitäten in Deutschland einstellen. Eher werden Berlin und Washington ein Nachkriegs-Geheimdienst-Abkommen als Vorlage für einen deutsch-amerikanischen Anti-Spionage-Deal nehmen: die sogenannte "Five Eyes"-Allianz.

Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen (l), und der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler (Archivbild) Foto: Rainer Jensen/dpa
Die Spitzen der deutschen Geheimdienste Hans-Georg Maaßen (l.) und Gerhard Schindler reisten Anfang November nach Washington, um über ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA zu verhandelnBild: picture-alliance/dpa

Die Mitglieder dieses Clubs - USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada - spionieren einander angeblich nicht aus; wenn doch, dann nur mit Einwilligung des jeweiligen Landes. Aus Sicht der Bundesregierung könnte ein derartiges Abkommen eine Option sein. Berlin könnte die Öffentlichkeit mit dem Hinweis beschwichtigen, man habe die USA gedrängt, Späh-Aktivitäten gegenüber Deutschen einzustellen oder nur mit deutscher Genehmigung in besonderen Fällen durchzuführen.

Egal, wie die Details des Abkommens aussehen werden: Wenn es dem "Five Eyes"-Abkommen ähnelt, geht es mindestens so sehr um gemeinsames Abhören wie um Begrenzung der Spionage.

Scheinmanöver

Die Bundesregierung wolle in Wirklichkeit gar nicht US-Spionage-Aktivitäten hierzulande eindämmen, vermuten US-Berater - sondern dem "Five Eyes" Spionage-Netzwerk beitreten. "Das öffentliche Agieren ist vor allem ein Ablenkungsmanöver, um die deutsche Öffentlichkeit zu beschwichtigen", erklärt John Schindler, Professor für Nationale Sicherheitsfragen am US Naval War College und früher selbst Mitarbeiter bei der NSA.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erkenne die Gefahren der Überwachung, aber auch die Vorteile der Informationen für die Zusammenarbeit der Staaten, meint Henry Farrell: "Ideal wäre für Merkel ein Deal, in dem Deutschland im 'Five Eyes'-Club aufgenommen würde." Farrell, der Politikwissenschaften und Internationale Angelegenheiten an der George Washington Universität unterrichtet, meint, das gäbe wiederum Berlin verstärkt Zugang zu amerikanischen und britischen nachrichtendienstlichen Erkenntnissen. Diese wiederum dürften Berlin nicht ausspionieren.

Große Abhängigkeit

Auch aus Sicht der deutschen Geheimdienste wäre eine engere Zusammenarbeit mit den USA oder sogar die Vollmitgliedschaft bei den "Five Eyes" ein guter Deal. "Der BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sind schon jetzt sehr auf die US-Geheimdienste angewiesen", schreibt Schindler in einer E-Mail an die DW, während die amerikanischen Geheimdienste "wenig von einem Anti-Spionage-Abkommen mit Berlin" hätten. Möglicherweise sei Washington aber angesichts der unveränderten Empörung - zunehmend auch in den USA - bereit, ein Abkommen zu unterschreiben, um den politischen Druck abzuschwächen.

Klar wolle die Bundesregierung Zugang zu Informationen, die die "Five Eyes"-Staaten im Laufe ihrer massiven Lauschangriffe weltweit gewonnen hätten, meint Barry Eisler. Der Ex-CIA-Agent kann sich vorstellen, dass die Deutschen dem nachrichtendienstlichen Bündnis beitreten als eine Art "öffentliches Bekenntnis, dass wir wieder Freunde sind."

Menschen demonstrieren in Washington DC gegen die Überwachung der NSA (Foto: DW/ Monika Griebeler)
In den USA wächst die Verärgerung über die ÜberwachungBild: DW/M. Griebeler

Für die Vollmitgliedschaft im "Five Eyes"-Club bedarf es aber nicht nur der Einwilligung der USA: auch die Briten müssten einverstanden sein. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass Washington oder London Deutschland voll integrieren wollen, meint Schindler.

Gratwanderung

Innenpolitisch wäre es für Berlin momentan sowieso schwierig, den Beitritt zu dem weltweit größten Spionage-Netzwerk zu erklären, während es gleichzeitig dessen Überwachungspraktiken verurteilt. Ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA ist also für Berlin innenpolitisch eher und schneller machbar; eine Vollmitgliedschaft im "Five Eyes"-Club könnte dann der nächste Schritt sein.

Letzten Endes aber bedarf es auch für ein No-Spy-Abkommen mit den USA nicht nur der Zustimmung Merkels, der CDU und eventuell der großen Koalition, sondern einer Reihe anderer Personen. Es hinge viel davon ab, inwieweit es den Datenschutzbeauftragten, den Bundesländern und etlichen SPD- und Grünenpolitikern gelinge, Merkel in eine Ecke zu drängen, aus der sie eine stärkere Position erstreiten muss, meint Farrell - "auch wenn es nicht unbedingt ihrer eigenen Meinung entspricht."