Loom Bandz: Vom Spielzeug zum gefährlichen Müll?
20. August 2014Im letzten Sommer auf den Markt gekommen, haben die kleinen, neonfarbigen Gummikringel - Loom Bandz oder Loom Bands genannt - die Kinderzimmer im Sturm erobert. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Automobilherstellers Nissan erfand das Spielzeug in den Vereinigten Staaten. Bis heute haben sich mehr als drei Millionen Stück verkauft.
Mit den bunten Ringen lässt sich so Allerhand basteln - und die Kinder weben und weben mit dem bunten Plastik. Besonders beliebt: Halsketten und Armbänder, aber auch kompliziertere Kunstwerke sind möglich. Auch Eltern lassen sich davon anstecken, und sind begeistert, dass der Nachwuchs sich nicht mit Playstation- oder Computerspielen die Zeit vertreibt, sondern etwas Kreatives macht.
Der erste Dämpfer - besorgte Aufschreie von Umweltaktivisten über die Gesundheitsgefahren und die Auswirkungen der Plastikbänder auf unsere Umwelt - lies jedoch nicht lange auf sich warten. Umweltschützer zeigen sich besonders besorgt über den Ort, an dem die ausgedienten, überflüssigen Plastikringe früher oder später einmal landen: In Abfallverbrennungsanlagen, Deponien und schließlich in den Ozeanen.
Vom Spielzeug zum Müll
"Wenn die Begeisterung für die Loom Bandz nachlässt, werden sie unweigerlich in den Abfallstrom gelangen", so eine offizielle Erklärung der Entsorgungsgruppe "WasteConnect" in Großbritannien. Sie bestreitet jedoch, die Bänder als "tickende Öko-Zeitbombe" bezeichnet zu haben, wie zuvor von der "Daily Mail" zitiert wurde.
Aber auch Naturschützer weisen auf eine potenzielle Gefahr hin, die von der Verwertung der Loom Bandz ausgeht. "Viele gelangen auf die Straßen, wo sie vom Regen in die Kanalisation gespült werden. Von dort gelangen sie in die Flüsse und schlussendlich an unsere Strände", sagt Tracey Williams. Sie machte in den letzten Jahren viele Erfahrungen mit der Kunststoffabfallentsorgung, vor allem an den Küstenregionen im Süden Englands. Derzeit ist sie in die Aufräumarbeiten in der Region Newquay Beach in England involviert: "Es ist schockierend zu sehen, wie viel Müll angeschwemmt wird."
Seit den späten Neunzigern beobachtet Williams Strände in Südengland. Damals wurde plötzliche eine besondere Art von Plastikspielzeug an die Küsten gespült: 1997 traf eine gewaltige Welle das Frachtschiff Tokio Express, 62 Container sanken. Einer von ihnen transportierte fünf Millionen Legostücke. Daraufhin gründete Williams die "Lego Lost at Sea"-Facebook-Seite, um den Menschen zu zeigen, was alles bei der Reinigung von Stränden gefunden wird - und lockte damit viele legoverrückte Strandräuber an. "Einige der Lego-Teile sind sehr selten, vor allem der grüne Drachen. Es ist immer aufregend, wenn jemand einen von ihnen findet", so Williams.
Und auch die Anzahl der Loom Bandz an den Stränden wird immer mehr. "Jeden Tag sammel ich welche auf - gestern habe ich fünf Ketten und Armbänder gefunden", erzählt Williams der DW.
Die Folgen sind erst später sichtbar
Der Niederländer Jeroen Dagevos von der Abteilung Meereserhaltung der Nordsee Foundation ist mit seinen Beurteilungen zurückhaltender. In 13 Tagen, in denen die Küste der Niederlande nach Müll durchforstet wurde, "haben wir keine Loom Bandz am Strand, in Netzen oder Mägen von Vögeln gefunden", so Dagevos gegenüber der DW.
Dass die bunten Gummikringel aber nie ein Problem für das Meer werden, sei damit nicht gesagt, so Dagevos. Entlang der Küste Frankreichs gingen Jahre zuvor eine große Menge Kunststoffscheiben für die Wasserreinigung verloren. "Wir fanden die erste Scheibe eineinhalb Jahre danach hier an unseren Stränden", sagt Dagevos. "Es dauert nur, bis sie unsere Küste erreichten."
Dagevos glaubt zudem, dass die Größe der Plastikringe ein Problem darstellen wird. "Kleine Gegenstände in der Umwelt sind viel schwerer zu beseitigen - Mikroplastik aus der Kosmetikindustrie zum Beispiel, ist nahezu unmöglich zu entfernen", sagt Dagevos. "Alle Meerestiere sind durch das Plastik dem Risiko ausgesetzt, zu ersticken oder sich darin zu verfangen."
Eine Analyse der Nordsee-Stiftung listete die Abfälle, die an der niederländischen Küste aufgesammelt wurden, auf. Dabei führten Plastik-Netze, Seile, Lebensmittel- und Getränkebehälter die Liste an. Spielzeug wird erst auf Platz 34 gelistet.
Doch sowohl Dagevos als auch Williams sind sich einig, dass die Entsorgung von Plastikspielzeug, vor allem in Ozean, ein Problem ist.
Unzerstörbare Produkte
Ilze Smit, Aktivistin der Detox-Kampagne von Greenpeace, sagt, dass der Loom Bandz-Trend ein noch viel größeres Problem aufzeigt: Das allgemeine Problem mit kurzlebigen Produkten ist, "dass sie in der Umwelt landen und dort sehr lange verweilen. Sie sind extrem hartnäckig, weil sie sich nicht zerstören lassen."
Auch die Chemie des Produktes ist besorgniserregend. "Wir wissen nicht, wie schädlich die Chemikalien in den Loom Bandz sind", sagt Smit und bezieht sich dabei auf einen unveröffentlichten Bericht, der auf einen hohen Anteil sogenannter Phthalate, also Weichmacher, hinweist und betont zudem die Notwendigkeit von Tests, dessen Ergebnisse von der Regierung öffentlich gemacht werden müssten. Hinzu kommt die Sorge um den möglichen Grad der Umweltverschmutzung aus den Produktionsprozessen und die Sorge um die Wildtiere, die einer Erstickungsgefahr ausgesetzt sind, oder sich in dem Plastik verwickeln und feststecken können.
Insgesamt benötigt der Gesamtkonsum - einschließlich Plastikspielzeug - ein Umdenken. "Loom Bandz sind ein gutes Beispiel, das zeigt, dass es viel größere Probleme bei der Verwendung von Kunststoff in unserer Gesellschaft gibt", so Smit. Vor allem Eltern müssten bei der Auswahl der Spielzeuge auf die Wiederverwertung und Entsorgung achten.
WasteConnect hat in Bezug auf Loom Bandz hingewiesen, dass es "keinen bekannten Weg der Wiederverwertung dieser Loom Bandz gibt. Sie sind aus einem hitzebeständigen Material, das nicht verformt werden kann."
Das Bewusstsein muss geschärft werden
Um den Menschen die Verschmutzung des Meeres durch Plastik bewusster zu machen und die Meere vom Schmutz zu befreien, sieht Williams das bürgerliche Engagement als treibende Kraft: "Ich denke, es ist unser aller Aufgabe, den Müll zu entsorgen."
"Du zeigst den Leuten ein Bild von Plastikmüll am Strand und es interessiert sie nicht. Zeigst du ihnen aber ein Stück Lego am Strand, sind sie interessiert, weil dieses Spielzeug Teil ihrer Kindheit war und Erinnerungen weckt", sagt Williams. Sie möchte die emotionale Verbindung, die Leute mit Spielzeug haben, nutzen, um den Strand sauber zu halten. In einigen Jahrzehnten - wenn die Loom Bandz-Generation erwachsen ist - könnte diese Verbindung möglicherweise eine tiefergehende Veränderung einleiten.