"Der Wind dreht sich"
20. Februar 2017DW: Die Regierung hat ohne großen Widerstand das Brexit-Gesetz durchs Unterhaus bekommen. Jetzt wird es im Oberhaus erörtert - aber was genau hoffen Sie zu erreichen?
Lord Newby: Wir wollen einige Veränderungen vornehmen. Als erstes wollen wir die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien sichern und garantieren. Darüber hinaus sollte am Ende der Brexit-Verhandlungen eine weitere Abstimmung im Parlament stattfinden. Drittens plädieren wir für ein weiteres Referendum, damit die Bevölkerung entscheiden kann, ob sie dem Abkommen mit der EU zustimmt, oder die Mehrheit nicht doch lieber in der EU bleiben möchte.
Aber es sieht nicht so aus, als ob die Regierung bereit wäre, Zugeständnisse zu machen. Die Änderungen, die Sie hier auflisten, wurden bereits im Unterhaus abgelehnt.
Sie dürfen nicht vergessen, dass die Regierung aus keiner besonders starken Position agiert. Es gibt sehr viele Abgeordnete, die durchaus auf unserer Seite stehen. Und historisch gesehen hat die Regierung schon immer eine überproportional hohe Anzahl von Änderungswünschen zugelassen. Wir dürfen nichts unversucht lassen. Und ehrlich gesagt ist es unser Job, für unsere Überzeugungen einzustehen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass 85 Prozent der Mitglieder im Oberhaus für einen EU-Verbleib sind. Wir sind ja meist älter als unsere Kollegen im Unterhaus und viele von uns haben damals für den Eintritt in die EU gekämpft - deswegen ist es eine Herzensangelegenheit für uns.
Also machen Sie eigentlich den Job ihrer Kollegen im Unterhaus, die dafür zu ängstlich waren?
Wir haben das Glück, dass unsere Karrieren nicht von unserem Wahlverhalten abhängen. Ein pro-europäischer Labour Abgeordeter mit einer jungen Familie, dessen Wahlkreis für den Brexit gestimmt hat, steht da schon gewaltig unter Druck. Wir dagegen haben nichts zu verlieren - und das macht uns so gefährlich.
Aber was können Sie wirklich erreichen, wenn es hart auf hart kommt? Sie könnten das Gesetz verzögern, aber wollen Sie das wirklich?
Nein, das wäre wirklich in Niemandes Interesse und würde nur noch mehr Unsicherheit bedeuten. Wir möchten unsere Änderungswünsche durchboxen und haben dabei aber auch die längerfristige Perspektive im Blick: Wir wollen die öffentliche Meinung beeinflussen und verändern und die Idee einer weiteren Abstimmung am Ende des Prozesses den Leuten näherbringen. Wenn man auf die Meinungsumfragen der letzen Wochen schaut, kann man deutlich erkennen, dass sich der Wind dreht. Nehmen wir einfach Mal an, dass in jeder Umfrage nach Abschluss der Brexit-Verhandlungen die Mehrheit für den Verbleib ist - das könnte die Regierung unmöglich ignorieren.
Es gibt Androhungen das Oberhaus abzuschaffen, sollten dessen Mitglieder in irgendeiner Form versuchen den "Willen des Volkes" aufzuhalten.
Das ist das übliche Säbelrasseln. Eine Reform des Oberhauses ist eine gewichtige Angelegenheit - das kann man nicht mal eben so aus dem Ärmel schütteln und vor allem nicht jetzt mitten in der Brexit-Debatte.
Sollten Sie Ihre Änderungen wirklich durchbekommen und dadurch den Brexit-Prozess beeinflussen wäre der Unmut im Brexit-Lager enorm.
Das stimmt. Aber bei den Pro-Europäern wächst auch der Unmut, dass ihre Stimmen nicht gehört werden. Wir sollten uns nicht so sehr mit dem Gedanken befassen, dass uns Hass entgegenschlägt und wir deswegen unsere Bemühungen aufgeben sollten. Meines Erachtens würde sich die Wut nur dann auflösen, wenn wir ein weiteres Mal abstimmen und somit die Schuldzuweisungen vom Tisch bekommen. Das ist unser zentrales Anliegen: Das Parlament und die Bevölkerung sollten ein weiteres Mal abstimmen, um dem Brexit-Prozess wirkliche Legitimität zu geben.
Lord Newby ist der Anführer der Liberal Democrats im britischen Oberhaus.
Das Interview führte Birgit Maaß.