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Erfahrener Modernisierer

10. Oktober 2006

Drei Monate nach seiner Berufung an die EADS-Doppelspitze soll der Franzose Louis Gallois nun Airbus zurück in die Gewinnzone führen. Er gilt als Visionär mit Fingerspitzengefühl und als behutsamer Modernisierer.

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Louis Gallois
Louis GalloisBild: AP

Gallois Vita liest sich wie eine klassische französische Karriere: Wirtschaftsstudium an der Elitehochschule Ecole des Hautes Etudes Commerciales (HEC), Absolvent der französischen Kaderschmiede Ecole Nationale d'Administration (ENA), anschließend Eintritt in den Staatsdienst. Es folgen Beschäftigungen in führenden Positionen verschiedener Ministerien, unter anderem als Büroleiter des linken Politikers Jean-Pierre Chévènement in dessen Zeit als Forschungs- und später Verteidigungsminister. Als Chévènements rechte Hand leitete er nach 1982 die schmerzvollen Umstrukturierungen der Stahl-, Chemie- und Werftindustrien ein.

Erfahrungen in der Luftfahrtbranche

Nachdem er 1989 als Chef den Flugzeugmotorenbauer Safran sanierte, übernahm Gallois 1992 die Leitung des französischen Luftfahrt- und Raumfahrtkonzerns Aérospatiale, der inzwischen Teil von EADS ist. In diesen Jahren erwarb er sich die nötigen Branchenkenntnisse, die ihm jetzt als Airbus-Chef zugute kommen werden.

Alain Juppé
Alain Juppé verhalf Gallois an die Spitze von SNCFBild: AP

Im Juli 1996 bekam Louis Gallois einen Anruf seines ehemaligen Studienkollegen Alain Juppé, der mittlerweile zum Premierminister aufgestiegen war und händeringend nach einem neuen Chef für die staatliche französische Eisenbahn Société Nationale des Chemins de Fer (SNCF) suchte. Den Auftrag "Louis, du musst das machen" konnte er, der sich als "serviteur de l'état", als Staatsdiener, versteht, nicht ablehnen.

Führung mit eiserner Hand

Die marode SNCF brachte Gallois als pragmatischer Modernisierer auf Trab. Dabei trieb er die Passagierzahlen mit niedrigen Ticketpreisen und dem Ausbau der Strecken für den Hochgeschwindigkeitszug TGV kräftig in die Höhe. Es gelang ihm so, den Fluggesellschaften Passagiere abspenstig zu machen. Unvollendet blieb bis zu seinem Amtsantritt als EADS-Ko-Chef im Juli 2006 dagegen trotz harter Einschnitte die Sanierung der kränkelnden Bahn-Frachtsparte.

Polizisten am Bahnhof Paris
Streiks bei der SNCF waren vor der Zeit Gallois üblichBild: AP

Jahr für Jahr setzte Gallois bei der SNCF Stellenstreichungen durch, schaffte es aber trotz der traditionell streikfreudigen Eisenbahner, soziale Konflikte im Zaum zu halten. Die Zahl der Streiktage bei dem Staatskoloss mit heute 170.000 Beschäftigten sank unter Gallois deutlich. Fast "herzlich" sei der SNCF-Chef aufgetreten, dabei habe er seine Entscheidungen aber immer durchsetzen wollen, sagt Bernard Aubin von der Gewerkschaft CFTC-Cheminots. Dagegen sei für seine engsten Mitarbeiter der Umgang nicht immer einfach: "Gegenüber den Gewerkschaften zeigt er eine eiserne Hand im Samthandschuh", sagt Aubin. "Gegenüber seinem Führungspersonal ist er die eiserne Hand in einem eisernen Handschuh."

Kontake zur Regierung

Ebenso wichtig wie Branchenkenntnisse sind Gallois Erfahrungen mit Betrieben, bei denen der Staat ein Wörtchen mitreden will. Beim künftigen Kurs des Flugzeugbauers Airbus, der wegen Lieferproblemen beim Superjumbo A380 in die Krise gerutscht ist, ringen Paris und Berlin heftig um Einfluss. Gallois könnte von seinen exzellenten Kontakten zur französischen Regierung Kapital schlagen, die er nicht nur als SNCF-Präsident sammelte, sondern auch in leitender Funktion in verschiedenen Ministerien.

Als neuer Airbus-Chef muss er nun den gewaltigen Spagat meistern, die Effizienz des europäischen Unternehmens zu steigern und gleichzeitig den verunsicherten Mitarbeitern neues Vertrauen zu geben. Überdies behält er seinen Posten als Co-Präsident von EADS an der Seite des Deutschen Tom Enders. Auf jeden Fall ist er nun endlich in seinem Element. "Ich liebe die Eisenbahn", hat er einmal gesagt, "aber eigentlich bin ich ein Mann der Luft."

(cin)