Eine Frau an der Spitze des Louvre: Laurence des Cars
28. Mai 2021Laurence des Cars wird den Anruf an jenem Montagnachmittag niemals vergessen. Roselyne Bachelot, die französische Kulturministerin, teilte ihr persönlich mit, dass sie die erste Frau an der Spitze des Louvre seit dessen Eröffnung 1793 werden würde. Der Pariser Louvre ist eines der meist besuchten Museen weltweit und nicht nur in Frankreich ein Symbol des französischen Kulturerbes. "Mein Herz schlug viel schneller, und es war ein Moment der Emotion und Freude", sagte die 54-Jährige dem Radiosender France Info. Und die Ernennung stimmte nicht nur sie froh - sie bedeutet auch für manche Kunstkennerin einen Schritt in Richtung Gleichberechtigung.
Mehrere Kandidatinnen und Kandidaten hatten sich mit einem Masterplan auf die Stelle beworben - darunter auch der aktuelle Präsident des Louvre, Jean-Luc Martinez. Des Cars aber setzte sich durch. Ihr Dossier trug den Titel "Louvre 2030". Sie wolle, dass der Louvre "völlig zeitgenössisch" werde, so die Kunsthistorikerin, die Spezialistin der Kunst des 19. und des anfänglichen 20. Jahrhunderts ist. "Wir müssen uns der heutigen Welt öffnen und gleichzeitig weiter von unserer Vergangenheit sprechen", so des Cars. "Wir sind alle etwas verloren in der aktuellen, zwar faszinierenden aber auch sehr komplizierten Zeit. Kunst spielt da eine zentrale Rolle, um uns wieder zu verankern."
Die frisch ernannte Präsidentin möchte vor allem junge Besucher ins Museum locken. Dabei will sie unter anderem auf die Zusammenarbeit mit berühmten Stars setzen, um das Image des Louvre aufzufrischen. Ganz neu sind solche Pläne weder für das Museum noch für des Cars: 2018 hatten die Musiker Beyoncé und Jay-Z im Louvre einen Clip gedreht. Und im Musée D'Orsay sowie der Orangerie, an deren Spitze des Cars seit 2017 steht, hatte die Kunsthistorikerin und Kuratorin mehrfach Tänzerinnen der Opéra de Paris, Zirkuskünstler und Musiker eingeladen, die zwischen den Werken ihr eigene Kunst präsentierten.
Wird des Cars zum Modell für Emanzipation?
Laurence des Cars hat außerdem vor, die Öffnungszeiten des Museums auszuweiten, damit Berufstätige mehr Zeit haben, abends zwischen den Werken zu flanieren. Und sie möchte eine neue Abteilung schaffen, die ausschließlich der Kunst von Byzanz und den Orientchristen gewidmet sein soll. "Bisher verlieren sich diese Werke ein bisschen in den anderen Abteilungen, und wir sehen diese Zivilisation nicht gut genug", so des Cars. Der Louvre ist des Cars übrigens alles andere als fremd, sie war wissenschaftliche Leiterin der Institution "l'Agence France-Muséums", die den Ableger des Weltmuseums in Abu Dhabi konzipierte, der 2017 eröffnete.
Für Geneviève Fraisse ist die Ernennung nicht einfach nur ein toller Posten für eine Frau - des Cars könnte dadurch zu einem Modell der Emanzipation werden, meint sie. Die emeritierte Philosophie-Professorin für feministische Denkansätze am staatlichen Centre National de Recherche Scientifique hat sich unter anderem mit Emanzipation in der Kunstwelt beschäftigt.
"Es gibt nur eine Präsidentenposition beim Louvre - sie ist sozusagen an der Spitze der Pyramide angekommen. Das ist ein richtiges Symbol. Es ist phantastisch!" begeistert sich die Fraisse gegenüber DW und fügt hinzu, dass die Nominierung daher mehr als nur eine Gleichstellung mit Männern sei. Des Cars habe sie zudem schon in der Vergangenheit sehr mit ihrer Arbeit beeindruckt. "Einerseits mit der Ausstellung im Musée d'Orsay 2019 über Berthe Morisot, die die Künstlerin anders als andere Ausstellungen zuvor nicht nur als Muse sondern als Vorreiterin der Impressionisten darstellte. Andererseits hat mir auch die Ausstellung 'Wer hat Angst vor Photographinnen?' gefallen - vor allem der Teil im Museum der Orangerie, der sehr ausführlich und exzellent war."
Nicht alle sind enthusiastisch
Bei diesen Ausstellungen hatte des Cars teilweise das Pariser Start-Up Aware unterstützt, das die Geschichte von Künstlerinnen aufarbeitet, um ihre Rolle in der bisher hauptsächlich männlichen Kunstgeschichtsschreibung aufzuwerten. Anaïs Roesch kümmert sich dort um internationale Projekte. Sie meint, die Ernennung des Cars zeige Frankreichs politischen Willen. "Die Regierung scheint zu der Einsicht gekommen zu sein, dass man Frauen in der Kunstwelt mehr unterstützen muss", sagte Roesch der DW. "Das sieht man auch daran, dass das Kultusministerium ein Observatorium für Gleichstellung in der Kunstwelt ins Leben gerufen hat. Das alles stimmt uns schon sehr optimistisch!"
Ganz so enthusiastisch ist Marie Buscatto, Soziologie-Professorin an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne, jedoch nicht. "Die Tatsache, dass jetzt alle hervorheben, dass sie die erste Frau an der Spitze des Louvres sein wird, heißt ja, dass es etwas Besonderes ist und Frauen eben nicht gleichberechtigt sind", erklärte Buscatto gegenüber der DW. "Erst wenn wir nur über die Kompetenzen reden bei einer solchen Nominierung, werden sich die Dinge geändert haben." So könne die Ernennung des Cars' ein erster Schritt in Richtung Gleichberechtigung sein - oder eben auch nicht: "Wenn danach wieder ein Mann an die Spitze kommt, könnte sie einfach vergessen werden." Nicht nur in Frankreich gebe es dabei Nachholbedarf. "Es gibt kein einziges Land auf der Welt, in der Frauen genauso guten Zugang zur Kunst haben wie Männer- sei es in Sachen Posten, Berühmtheit oder auch Gehalt."