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"Schutz gegen Diskriminierung verbessern"

Nina Werkhäuser, Berlin9. August 2016

Seit zehn Jahren gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Wie gut funktioniert der Schutz vor Diskriminierung in der Praxis? Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, zieht Bilanz.

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Der Schwarze Hamado Dipama im Gerichtssaal - er wurde in Diskotheken nicht eingelassen und klagte dagegen, Foto: dpa
Hamado Dipama wurde in Diskotheken nicht eingelassen und klagte - wegen Diskriminierung aufgrund der HautfarbeBild: picture-alliance/dpa/T. Hase

DW: In Deutschland darf nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz niemand wegen seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität, seiner Religion oder Weltanschauung, seines Alters oder wegen einer Behinderung benachteiligt werden. Was ist für Sie der größte Gewinn dieses Gesetzes?

Christine Lüders: Der größte Gewinn ist, dass Betroffene vor Diskriminierung rechtlich geschützt werden. Das ist ganz wichtig. Jeder Einzelne hat ein Recht auf gleiche Behandlung und den Schutz vor Benachteiligung - und kann dafür auch vor Gericht ziehen.

Können Sie beispielhaft einige Fälle nennen, in denen sich Betroffene dank des Gesetzes gegen eine Diskriminierung wehren konnten?

Kürzlich haben mehrere Frauen, die bei einem großen deutschen Schuh-Hersteller arbeiten, erfolgreich dagegen geklagt, dass sie bei gleicher Arbeit weniger Geld als ihre männlichen Kollegen bekommen haben. Ein Mann schwarzer Hautfarbe hat eine Diskothek mit Erfolg auf Schadensersatz verklagt, weil er nur wegen seiner Hautfarbe nicht eingelassen wurde. Und ein schwules Paar hat einen Vermieter verklagt, der sich weigerte, ihnen einen Saal für eine Hochzeitsfeier zur Verfügung zu stellen. All diese Menschen konnten nur erfolgreich klagen, weil es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt.

Welche Personengruppen sind in Deutschland am stärksten von Diskriminierung betroffen?

Wir haben die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland kürzlich nach Diskriminierungserfahrungen befragt. Knapp ein Drittel der Befragten hat geantwortet, dass sie in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt haben. Am häufigsten ist dabei Altersdiskriminierung: Fast jede und jeder Siebte gibt an, damit Erfahrungen gemacht zu haben, gefolgt von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, wegen der Religion oder Weltanschauung und wegen der ethnischen Herkunft.

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Foto: dpa
Sieht Deutschland nur im Mittelfeld beim Schutz gegen Diskriminierung: Christine Lüders, die Leiterin der AntidiskriminierungsstelleBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass junge Leute mit Migrationshintergrund bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz benachteiligt werden, auch wenn sie ausgezeichnete Noten haben und perfekt Deutsch sprechen. Ist das ein typischer Fall, in dem das Gesetz greift?

Das sind typische Fälle. Deswegen haben wir das anonymisierte Bewerbungsverfahren ins Leben gerufen. Damit wird verhindert, dass Bewerber aufgrund ihres Migrationshintergrundes oder ihres Alters aussortiert werden. Auch rechtlich lässt sich natürlich etwas machen, wenn nachweislich und ohne sachliche Begründung Menschen ohne Migrationshintergrund bevorzugt wurden.

Diskriminierung ist ja ein weites Feld. Lässt sich trotzdem sagen, ob sie in bestimmten Bereichen zu- oder abnimmt?

Ich glaube, dass sich durch das Gesetz viel geändert hat. Wenn man bedenkt, dass früher in Stellenausschreibungen stand "Junge Sekretärin gesucht" - das gibt es heute nicht mehr. Die Arbeitgeber sind sensibilisiert. Schwierigkeiten gibt es aber zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt. Da passiert es immer wieder, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft benachteiligt werden.

Was kann jemand tun, der eine solche Erfahrung macht?

Der- oder diejenige kann sich an uns wenden, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Wir geben diesen Menschen eine Erstberatung und schätzen den Fall ein. Wer seine Rechte einklagen will, der muss sich einen Anwalt nehmen. Deshalb fordern wir für Beratungsstellen ein Verbandsklagerecht (das Recht, als Verband für Betroffene einen Prozess zu führen, Anm. der Redaktion). Dann würden die Betroffenen mehr Unterstützung vor Gericht bekommen.

Ist das Gesetz nach zehn Jahren bekannt genug? Kennen die Betroffenen ihre Rechte?

Diskriminierungen werden heute in der Gesellschaft nicht mehr so einfach hingenommen wie noch vor einigen Jahren. Trotzdem muss das Gesetz noch bekannter werden. Sexuelle Belästigung fängt zum Beispiel schon bei verbalen Belästigungen oder E-Mails an. Das wissen viele Betroffene nicht.

Ein Rollstuhlfahrer vor einer Treppe, Foto: dpa
Nicht überall finden Rollstuhlfahrer einen barrierefreien Zugang zu Geschäften oder einem ArbeitsplatzBild: picture-alliance/dpa/D. Maurer

Welche Schutzlücken sehen Sie noch?

Wünschenswert wären längere Fristen, um nach einer Diskriminierung rechtliche Ansprüche vorzubringen. Derzeit liegt die Frist bei zwei Monaten. Das reicht bei weitem nicht, wenn jemand traumatisiert ist oder sich erst über seine Rechte informieren muss. Sechs Monate wären besser.

Außerdem sollte sexuelle Belästigung auch in Bereichen außerhalb der Arbeitswelt verboten werden. Und nicht zuletzt brauchen wir für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen beim Zugang zu Geschäften und am Arbeitsplatz.

Mit dem Gleichbehandlungsgesetz wurden EU-Richtlinien umgesetzt. Wo liegt Deutschland bei diesem Thema im europäischen Vergleich?

Im Mittelfeld. Andere Länder, etwa England, Frankreich oder die skandinavischen Länder, sind da viel weiter als Deutschland. Dort können die dortigen Antidiskriminierungsstellen beispielsweise selbst Musterklagen gegen Benachteiligungen führen. Insofern gibt es noch viel zu tun.

Christine Lüders leitet die Antidiskrimierungsstelle des Bundes seit 2010. Zuvor war sie Chefin der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen.

Die Fragen stellte Nina Werkhäuser.