Müssen Roboter Steuern zahlen?
31. Juli 2017In Science-Fiction-Filmen erfüllen Roboter schon viele Rollen - aber noch kein Filmemacher hat einen unserer Automaten-Freunde als Steuerzahler portraitiert. Dennoch: Das fantastische Konzept einer Computer-Steuer ist bereits ein Thema - obwohl es noch weit davon entfernt ist, vielleicht einmal umgesetzt zu werden. Seit vielen Jahren spielen die Fragen, die sich bei der fortschreitenden Digitalisierung unserer Arbeitswelt und der zunehmenden Automatisierung von Arbeitsabläufen ergeben, eine immer größere Rolle auch in wirtschaftlichen und sozialen Debatten.
Das Grundproblem: Durch die schnellen Fortschritte bei der Entwicklung von Artificial Intelligence (AI), also künstlicher Intelligenz, und der damit einhergehenden Automation geraten immer mehr Arbeitsplätze in Gefahr. Und kein Bereich der Arbeitswelt ist davon ausgenommen.
Dazu wird oft eine Studie der Universität von Oxford zitiert. Darin errechnen die Ökonomen Carl Frey und Michael Osborne, dass in den kommenden zwanzig Jahren beinahe die Hälfte aller Jobs in der US-Wirtschaft einem "hohen Risiko" unterliegen, verloren zu gehen: Maschinen würden die Arbeit erledigen, die jetzt noch von Menschen geleistet wird.
Die radikalen Änderungen, die in unserer Arbeitswelt bereits vor sich gehen, werfen die grundsätzliche Frage auf: Wer wird denn dann in Zukunft noch Steuern zahlen?
Eine Gefahr für die gesamte Menschheit?
Bereits im Mai 2016 wurde in einem Antrag vor dem Europäischen Parlament der Vorschlag gemacht, Computer als "elektronische Personen" zu klassifizieren und deren Besitzer oder Betreiber dazu zu verpflichten, für sie Steuern abzuführen. Im Februar 2017 wurde das abgelehnt, allerdings versprach das Parlament, EU-weit gültige Regeln zu formulieren, um den Fortschritt der Roboterisierung zu regulieren.
Obwohl die Entscheidung vom Februar das vorläufige Aus für eine "Computer-Steuer" bedeutet, wird das Thema nicht von der Tagesordnung verschwinden. Vor einigen Monaten äußerte der Microsoft-Gründer Bill Gates seine Unterstützung bei der Besteuerung automatisierter Arbeit. Er halte, so Gates, diese Entwicklung für unvermeidbar.
Inzwischen eskaliert die Debatte über die zunehmende Roboterisierung. So streiten beispielsweise die Tech-Milliardäre Elon Musk und Mark Zuckerberg öffentlich über Musks These, dass die technische Entwicklung eine grundsätzliche und schnell wachsende Bedrohung für die Menschheit insgesamt darstellt.
Jobkiller oder Jobmotor?
Die Frage nach einer Steuerpflicht für Computer ist nur ein Teil der allgemeinen Diskussion um den Einfluss von AI, Automation, Digitalisierung auf die Zukunft der Arbeit. Aber technologische und industrielle Entwicklungen haben schon immer einen großen Einfluss auf die Natur der menschlichen Arbeit gehabt.
Einige Ökonomen argumentieren, dass die fortschreitende Automation die Produktivität steigern und damit den allgemeinen Wohlstand fördern würde, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. So sei es möglich, durch eine ausgewogene "Computer-Steuer" entlassene Arbeitnehmer für andere Arbeiten zu qualifizieren und somit zu einem universalen Basis-Einkommen beizutragen.
Bill Gates etwa argumentiert, dass eine Verlangsamung des Automatisierungsprozesses Zeit verschaffen würde, Übergangslösungen zu finden, um die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, abzufedern. Allerdings argumentieren die "Computer-Steuer"-Gegner, dass eine solche Abgabe den technischen Fortschritt nur ausbremsen würde.
"Ein ganz altes Argument"
Für Enzo Weber vom deutschen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben die Argumente aber schon einen ganz langen Bart. Gegenüber DW weist er daraufhin, dass immer jemand Arbeiter zu schützen versuche, aber das würde den technischen Fortschritt beenden und sei daher auch nicht gerade vernünftig. Er sei gegen eine "Computer-Steuer", weil die Untersuchungen des IBA keinen Hinweis darauf lieferten, dass mit einem so massenhaften Verlust zu rechnen sei, wie es andere prognostizierten.
Eine Studie der Wirtschaftswissenschaftlerin Katharina Dengler aus dem vergangenen Jahr kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Sie widerspricht der Arbeit Freys und Osbornes und legt nahe, dass die fortschreitende Digitalisierung im Gegenteil sogar neue Jobs schaffen könne und zu einer höheren Beschäftigungsquote führen könnte.
Eines ist klar: Die Roboter kommen
Deutschland ist auf dem Gebiet der Robotik und der Automation weltweit führend, sowohl in der Produktion als auch in der Anwendung. 2016 ist der Umsatz in dieser Branche um sieben Prozent auf 11,8 Milliarden Euro gestiegen. Dazu sind in Deutschland 24,2 Prozent der Arbeiter in der Industrie beschäftigt, der EU-Durchschnitt liegt bei lediglich 21,9 Prozent. Da ist es nicht überraschend, dass es hierzulande einen merkbaren Widerstand gegen eine Versteuerung der Computer-Arbeit gibt.
Die in Frankfurt ansässige International Federation of Robotics (IFR) gab nach der Entscheidung des EU-Parlaments vom Februar zu Protokoll, "dass die Einführung einer Computer-Steuer einen sehr schlechten Einfluss auf Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit" haben würde. Der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) stieß ins gleiche Horn. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sagten gegenüber der DW, sie seien ebenfalls gegen die Einführung einer solchen Steuer.
Bedenkt man, wie groß die Uneinigkeit darüber ist, wie die Digitalisierung und die Automatisierung die Zukunft der Arbeit in Deutschland, der EU und darüber hinaus überhaupt verändern wird, wird klar, wie weit der Weg noch ist, bevor man über Maßnahmen nachdenken kann, wie man den Konsequenzen dieser Revolution in der Arbeitswelt begegnen soll.
In einem aber sind sich die meisten Beobachter einig: Die Roboter kommen. Ob sie fast alle Industrie-Arbeitsplätze verdrängen werden oder nur einige oder ob sie sogar für mehr Beschäftigung sorgen werden, bleibt umstritten. Ökonomische und politische Maßnahmen, die die möglicherweise dramatischen Veränderungen bewältigen sollen, können erst gefunden werden, wenn klar ist, wohin der Weg führt.