Macron will nur noch kurz die Welt retten
29. August 2017Emmanuel Macron als Retter Frankreichs und der Welt – das ist das Bild, das der französische Präsident in der ersten großen Rede zur Außenpolitik seit seiner Wahl im Mai dieses Jahres gezeichnet hat. Macron will in praktisch allen internationalen Konflikten vermitteln und Frankreich damit zu neuer Größe verhelfen. Doch realistisch scheint das kaum – zumal der Präsident auch innenpolitisch so einiges vor hat.
"Wir möchten den Lauf der Dinge in der Welt beeinflussen, anstatt ihm unterworfen zu sein", fasste Macron seine Devise für die Außenpolitik vor den Botschaftern des Landes zusammen. Frankreich solle endlich wieder ein ernst zu nehmender internationaler Gesprächspartner sein. Schließlich könnten die Initiativen des Landes wirklich etwas bewegen, so der 39-jährige Präsident.
Von denen gibt es eine Vielzahl. Die höchste Priorität habe dabei der Kampf gegen den Terrorismus, so Macron. Frankreich solle beim Kampf gegen den Terror in Afrika helfen – vor allem, indem man im Bürgerkrieg in Libyen vermittele und die G5-Initiative für regionale Kooperation unterstütze.
Vermittlung in praktisch allen großen Konflikten
Macron will auch im Syrienkrieg zu einer Lösung beitragen. Anders als sein sozialistischer Vorgänger François Hollande macht er das Abtreten von Präsident Baschar Al-Assad nicht mehr zur Bedingung ernsthafter politischer Gespräche. Frankreich soll auch den Streit Katars mit Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Bahrain wegen mutmaßlicher Terrorfinanzierung durch Katar schlichten. Und vermitteln zwischen Israelis und Palästinensern, Nordkorea und den USA und den Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran.
Die Europäische Union will der Präsident grundlegend reformieren, damit die Bürger Europas sich endlich wieder mit der Idee der Staatengemeinschaft identifizieren könnten. Nach den deutschen Bundestagswahlen am 24. September werde er tiefgreifende Veränderungsvorschläge machen – ohne dass dafür die Verträge geändert werden müssten. Mit dabei: eine Reform der Entsenderichtlinie, nach der man ja Arbeitnehmer in andere europäische Staaten schicken kann, ohne vor Ort Sozialabgaben zu leisten. Eine Regelung, die im Hoch-Lohnsteuerland Frankreich für viel Unmut sorgt. Außerdem will er das Asylrecht reformieren und Europa besser gegen Dumpingpreise schützen – mit wirtschaftlichem Protektionismus.
Ein neues Level der Superlative
Eine in ihren Grundlinien durchaus typische Rede für einen französischen Präsidenten, findet Bruno Cautrès, Politologe am Forschungsinstitut Cevipof in Paris. Und dennoch überrasche ihn, welch neues Level der Superlative der junge Präsident erreicht habe. Dabei hat er schon den Spitznamen "Jupiter", des Göttervaters, der mit eiserner Hand die Dinge kontrolliert. "Es hörte sich so an, als wolle Macron die Welt revolutionieren – und das alles in fünf Jahren", meint Cautrès im DW-Interview. "Er will all die Probleme lösen, die bisher niemand lösen konnte. Das ist einfach nicht realistisch!" Schließlich spielten die USA auch unter dem stark umstrittenen Präsidenten Donald Trump noch immer eine große Rolle und innerhalb der EU täten sich immer größere Differenzen zwischen den Ost- und den Weststaaten auf.
Noch unrealistischer sei, dass Macron nicht nur international, sondern gleichzeitig auch in Frankreich einen tiefen Umbruch herbeiführen will. "Das kann man einfach nicht alles gleichzeitig bewältigen", so Cautrès. Der wohl wichtigste Teil dieses Umbruchs ist die Arbeitsmarktreform, die die Regierung mit Hilfe von Erlassen durchsetzen will. Ähnliche Pläne sind in der Vergangenheit immer an monatelangen Streiks gescheitert – praktisch gilt Frankreich in diesem Punkt als unreformierbar.
Macrons Stern im Sinkflug
Zudem ist die Beliebtheit des Präsidenten in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit so schnell gesunken wie seit über 20 Jahren bei keinem Staatschef. Nur noch etwa 40 Prozent der Franzosen haben eine positive Meinung von ihm.
Doch Macron hält an seinen Reformen fest. Denn auch er weiß, dass davon zum großen Teil der Ruf Frankreichs abhängt. "Frankreich muss auch eine Wirtschaftsmacht sein - sonst ist das alles nicht kohärent, und wir werden nichts bewegen können", sagte er zum Ende seiner Rede. Dabei könnten ihm die Gewerkschaften einen Strich durch die Rechnung machen. Die ersten Demonstrationen gegen Macrons Reformen sind schon für Anfang September geplant.