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Kreative Malaria-Forschung

Brigitte Osterath27. November 2013

Bisher gingen Forscher strikt zielorientiert vor, um neue Medikamente gegen Malaria zu entwickeln. Doch nun geht es dabei kreativer im Labor zu - mit Erfolg. Dabei hilft den Forschern eine kleine Box.

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Blutausstrich mit Malariaerregern (Foto: Bernhard-Nocht-Institut).
Malaria-Parasiten im Blut-Ausstrich, versteckt in den roten BlutkörperchenBild: BNI

Thomas Spangenberg hat etwas zu verschenken: fünf Plastikplatten mit kleinen Einkerbungen. In ihnen befinden sich gefrorene Flüssigkeiten: Lösungen mit ganz besonderen Molekülen. "Unsere Box enthält 400 chemische Verbindungen, die gegen den Malariaparasiten wirken", sagt er.

Der Chemiker arbeitet für die Initiative "Medicines for Malaria Venture", kurz MMV. Sie fördert die Forschung nach neuen Medikamenten und Impfstoffen gegen Malaria und andere bisher vernachlässigte Tropenkrankheiten.

Ihre sogenannte Malariabox ist eine Sammlung von vielversprechenden Wirkstoffkandidaten. MMV verschickt sie kostenlos in alle Welt. Die Initiative will Forscher dazu animieren, aus den 400 Substanzen neue marktreife Medikamente zu entwickeln. Dabei ist bisher nicht mal bekannt, wie die Substanzen wirken - nur, dass sie es tun.

Medikamentenforschung: Wer fleißig sucht, der findet

Der eine Wissenschaftler überlegt sich zunächst, wie sein neues Medikament wirken soll - dann geht er ins Labor, um die passende chemische Verbindung zu kreieren. Der andere Wissenschaftler hingegen testet zunächst blind viele tausende Substanzen durch und sucht diejenigen aus, die die gewünschte Wirkung im Reagenzglas zeigen; nur diese sieht er sich genauer an. Für den Mechanismus, warum eine Verbindung diese Wirkung zeigt, interessiert er sich vorerst nicht.

Malaria-Box (Foto: MMV).
Die Malaria-Box: Vor dem Versand wird sie mit farblosen Flüssigkeiten gefüllt und eingefrorenBild: MMV

Diese zwei Vorgehensweisen konkurrieren in der heutigen Medikamentenentwicklung miteinander. Große Pharmaunternehmen benutzen beide Taktiken und besitzen für das blinde Drauflos-Testen - das Screening - riesige sogenannte Bibliotheken von chemischen Verbindungen.

Forscher an Hochschulen und Forschungsinstituten hingegen überlegen für gewöhnlich erst und suchen dann die passende Substanz. "Die akademischen Zentren haben keine Sammlungen mit mehreren Millionen Molekülen und daher auch nicht die Möglichkeit, in einem Durchgang tausende Wirkstoffe durchzutesten", erklärt Jörg Möhrle von MMV, Thomas Spangenbergs Kollege.

Ungünstig nur, dass gerade im Falle von Malaria sehr viele Forscher an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sitzen. Denn: "Ein Unternehmen, das ein Anti-Malaria-Medikament entwickelt, wird nicht viel Geld damit verdienen, das Medikament in die Länder zu verkaufen, in denen es benötigt wird", sagt Möhrle. Sprich: Die großen Pharmafirmen haben zwar die besseren Methoden, um Medikamente gegen Malaria zu entwickeln, aber auch weniger Interesse daran.

400 heiße Kandidaten aus sechs Millionen Substanzen

Alle Forscher auf den gleichen Stand zu bringen wie die Pharmaindustrie - das war das Ziel der Malariabox. "Wir wollen, dass auch Forscher in akademischen Zentren und in kleinen Pharmafirmen Zugang zu den Chemikalien haben, die den Parasiten töten", sagt Möhrle.

Kreislauf des Malariaerregers (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Der Malaria-Parasit vermehrt sich ungeschlechtlich in der Leber und den roten Blutkörperchen des Menschen

Sechs Millionen chemische Verbindungen aus mehreren Substanzbibliotheken hat MMV zusammen mit Pharmaunternehmen durchgetestet. 25.000 von ihnen wirken in irgendeiner Form gegen die Malariaparasiten. Die davon vielversprechendsten 400 Substanzen wanderten in die Malariabox.

Sie alle unterscheiden sich stark von den Verbindungen, die bereits heute als Wirkstoffe gegen Malaria eingesetzt werden: "Wir wollen die Pipeline mit ganz neuen Stoffen füllen", sagt Spangenberg. "Denn wir hoffen, dass diese Substanzen dann auch anders wirken als die, die schon auf dem Markt sind." Wie auch bei Antibiotika breiten sich auch bei Malaria-Medikamenten zunehmend Resistenzen aus.

"Eine gute Idee"

160 Malariaboxen an Forschergruppen in 27 Ländern hat MMV bereits verschickt, vor allem nach Europa und in die USA.

Annette Kaiser, Malariaforscherin am Universitätsklinikum Essen sagt: "Die Malariabox ist für uns eine Quelle für Substanzen, an die wir ansonsten nicht so leicht kommen würden. Denn die meisten davon haben eben nur größere Industrieunternehmen."

Kaiser testet die Chemikalien an Eiweißen, die im Lebenszyklus der Parasiten eine wichtige Rolle spielen. Sie hat bereits einen vielversprechenden Anwärter für ein neues Malaria-Medikament gefunden, den sie jetzt weiter erforschen will.

Pipette mit Blutprobe (Foto: Michaela Führer).
Viele tausend Wirkstoffe lassen sich nicht per Hand durchtesten - dafür braucht es RoboterBild: Michaela Führer

Auch Gabriele Pradel von der RWTH Aachen hält die Malariabox für eine "gute Idee". Denn bisher waren ihr die darin enthaltenen 400 Substanzen nicht mal bekannt. "Es ist ja nicht so, dass es irgendwo eine allgemein zugängliche Datenbank gibt, in der alle Wirkstoffe zusammengefasst sind, die in den verschiedenen Firmen mal gescreent wurden."

Und sie fügt hinzu: "Dazu ist es natürlich ein Kostenfaktor: Mal eben so eine Wirkstoff-Bibliothek zu kaufen, die kostet schließlich mehrere tausend Euro."

Keine Geheimniskrämerei!

Für das kostenlose Versenden der 400 Wirkstoffkandidaten stellt MMV nur eine Bedingung: "Wenn eine Forschungsgruppe die Malaria-Box bestellt, muss sich der Forschungsleiter verpflichten, dass die Ergebnisse veröffentlicht werden, damit auch andere damit weiterarbeiten können", erklärt Möhrle.

Und das gilt ausdrücklich auch für die negativen Ergebnisse - etwa, wenn sich eine Substanz als Flop herausstellt. So etwas behalten Wissenschaftler für gewöhnlich lieber für sich.

Seit knapp zwei Jahren versendet MMV seine Malariabox. Erste Ergebnisse gibt es bereits - und nicht nur in Bezug auf Malaria. Es hat sich herausgestellt, dass einige der 400 Substanzen auch gegen andere tropische Parasiten wirken, zum Beispiel gegen den Pärchenegel Schistosoma mansoni, den Erreger der Wurmkrankheit Bilharziose.

"Wir warten jetzt ab, wie es weitergeht", sagt Spangenberg, "aber bis jetzt ist die Malariabox ein super Erfolg."