69. Filmfestspiele in Cannes
11. Mai 2016Für zwölf Tage blickt die Welt wieder auf den Roten Teppich von Cannes. Wenn am Abend des 11. Mai Woody Allen und die Stars seines neuen Films "Café Society" zur Eröffnung des Festivals über eben jenen Teppich schreiten, dann werden Blitzlichtgewitter der Fotografen und Schreie der Fans wieder kein Ende nehmen. Bis zum 22. Mai tummeln sich Stars und Sternchen, mächtige Filmproduzenten und sensible Künstlerpersönlichkeiten auf engstem Raum auf der berühmten Croisette. In Cannes schlägt jedes Jahr im Mai das Herz des Kinos, die südfranzösische Stadt am Mittelmeer wird dann zum wichtigsten Treffpunkt des internationalen Films.
Große Namen im Palmenrennen
Und wie in jedem Jahr sind auch jetzt die Erwartungen wieder groß. Der Wettbewerb um die Goldene Palme ist wie immer gut bestückt. Berühmte Regienamen wie Pedro Almodóvar und Xavier Dolan, Jim Jarmush und Ken Loach sind vertreten. Der französische Film bewirbt sich gleich mit vier Beiträgen um die Palme: Das Mutterland des Kinos nutzt Cannes traditionell als Heimspiel. Die Vereinigten Staaten werden mit Produktionen wie "Paterson" von Jarmusch und "The Last Face" von Sean Penn für Hollywood-Star-Power auf dem Roten Teppich sorgen. Aber auch Filmnationen wie Iran, mit Oscarpreisträger Asghar Farhadi, oder Rumänien (gleich mit zwei Filmen) sind vertreten.
Es ist Ehrensache, dass die Regisseure, die nach Cannes geladen sind, ihre Werke persönlich vorstellen, das jeweilige Team rund um die prominenten Schauspieler im Schlepptau. Angesagt haben ihr Kommen in diesem Jahr unter anderem Charlize Theron und Isabelle Huppert, Russel Crowe und Javier Bardem, Kristen Stewart und Vincent Cassel.
Comeback des deutschen Kinos im Wettbewerb
Und nach Jahren der Abwesenheit ist auch mal wieder das deutsche Kino dabei. Die junge Regisseurin Maren Ade präsentiert ihren Film "Toni Erdmann" im Wettbewerb, eine Vater-Tochter-Geschichte mit Sandra Hüller und Peter Simonischek. Es ist die erste "echte" deutsche Produktion seit Jahren. Zuletzt war Wim Wenders 2008 im Wettbewerb. Der gebürtige Münchner Michael Haneke, im Jahr darauf mit "Das weiße Band" erfolgreich, ist Österreicher. Das deutsche Kino war so in den vergangenen Jahren nur in seiner Eigenschaft als Co-Produzent dabei.
Thierry Frémaux, künstlerischer Leiter des Festivals, bekräftigte schon einmal seine Freude, dass Cannes nun nach dem "Dream-Team um Herzog, Schlöndorff und Wenders" eine neue Generation des deutschen Kinos begrüßen dürfe. Dass sich diese schon seit vielen Jahren auch auf anderen internationalen Festivals in aller Welt tummelt, ist an Frémaux und seinem Team offenbar vorbeigegangen.
Darüberhinaus sind drei deutsche Co-Produktionen im Rennen um die Goldene Palme dabei, Filme der französischen Regisseure Bruno Dumont und Olivier Assayas sowie des Niederländers Paul Verhoeven. Deutschland wird sich auch unter dem Label "New German Films" mit 23 aktuellen Produktionen auf dem Filmmarkt des Festivals präsentieren. Und der "German Pavilion" wird in den Tagen des Festivals wieder zum Treffpunkt der deutschen und internationalen Filmszene an der Croisette.
Mad-Max-Regisseur George Miller entscheidet
Wer am 22. Mai den begehrten Preis in die Höhe recken darf, entscheidet die Jury um dessen Vorsitzenden, den australischen Regisseur George Miller ("Mad Max"). Ihm zur Seite stehen unter anderem die Schauspieler Donald Sutherland, Mads Mikkelsen und Kirsten Dunst, die französische Sängerin Vanessa Paradis sowie die Regisseure László Nemes und Arnaud Desplechin.
Doch Cannes ist mehr als Wettbewerb und Palmenschau. Immerhin haben sich 1869 Filme für die Veranstaltung in Südfrankreich beworben, 49 wurden für das offizielle Programm ausgewählt, ein paar andere für die Nebensektionen. In Programmreihen wie "Un Certain Regard" und "La Quinzaine des réalisateurs" stehen nicht die Regieschwergewichte im Mittelpunkt, sondern jüngere Regisseure, hoffnungsvolle Talente und Entdeckungen.
Für zusätzliche Aufmerksamkeit dürften auch Sondervorführungen von Filmen prominenter Regisseure sorgen, die sich nicht der Palmen-Konkurrenz stellen, die aber auch nicht in einer Nebenreihe gezeigt werden wollen. Eine Größe wie Steven Spielberg etwa, der seinen neuen Geisterfilm für ein junges Publikum, "The Big Friendly Giant", vorstellt oder auch die Schauspielerin Jodie Foster, die ihre vierte Regiearbeit "Money Monster" mit der Traumpaarung George Clooney und Julia Roberts beim Festival präsentiert.
Politisches aus Deutschland und den USA
Cannes hat nicht den Ruf, ein politisches Festival wie die Berlinale zu sein, setzt mehr auf große Regienamen und die Prominenz der internationalen Filmwelt. Doch so ganz an den Aktualitäten der Welt will man dann doch nicht vorbei. Aus deutscher Sicht interessant: der in Osnabrück lebende Syrer Maan Mouslli stellt seinen Kurzfilm "Shakespeare in Zaatari" über ein Flüchtlingslager in Jordanien vor. In der Sektion "Directors' Fortnight" präsentiert Laura Poitras nach ihrem oscarprämierten Film "Citizenfour" über Edward Snowden nun ihre neueste Arbeit: die Dokumentation "Risk" über Julian Assange.
Schließlich wirft Cannes auch wieder einen Blick zurück, ehrt große Persönlichkeiten der Kinogeschichte. Der französische Schauspieler Jean-Pierre Léaud erhält eine Ehren-Palme des Festivals. Dessen Landsmann, Regisseur Bertrand Tavernier, zeigt in Welturaufführung seine Hommage an das französische Kino "Voyage à travers le cinéma français". Hollywood-Veteran William Friedkin, einst mit "French Connection" und "Der Exorzist" zu Ruhm und Ehren gelangt, erzählt im Rahmen einer "Cinema Masterclass" aus seinem Erfahrungsschatz.
Die renommierten Dokumentaristen Raymond Depardon (Frankreich) und Frederick Wiseman (USA) werden geehrt - und in der Reihe "Cannes Classic" werden digital aufgerüstete Meisterwerke der Filmgeschichte vorstellt, in diesem Jahr unter anderem Werke von Andrei Tarkowski, Kenji Mizoguchi und Jean-Luc Godard.
Woody Allen steht am Anfang, die Goldene Palme am Ende
Cannes kann also kommen. Woody Allens "Café Society" eröffnet am Mittwoch (11.5.) den filmischen Reigen an der Côte d'Azur, die Verleihung der Goldenen Palme steht am Ende der zwölf Tage. Dazwischen wird hoffentlich das ein oder andere Meisterwerk das Licht der Welt erblicken und dafür sorgen, dass man auch in ein paar Jahren noch vom Cannes-Jahrgang 2016 sprechen wird.