Marion Ackermann übernimmt - Quo vadis "Preußenstiftung"?
29. Juli 2024Noch ist es ein schöner Traum: Darin spielen Berlins Staatliche Museen in einer Liga mit dem Louvre in Paris, der Tate Gallery of Modern Art in London oder den Uffizien in Florenz. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Zwar fehlt es an der Spree nicht an Ideen, doch Mangelware sind Geld, Personal und effektive Strukturen.
Eine, die es richten könnte, ist Marion Ackermann, bis dato Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Sie übernimmt ab Juni 2025 die Präsidentschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), zu der die Staatlichen Museen gehören. Ackermann folgt auf Hermann Parzinger, der dann 16 Jahre im Amt war und in den Ruhestand geht. Kein leichter Job für Ackermann, ganz im Gegenteil. "Ich werde meine ganze Kraft in den Reformprozess stecken", verspricht die künftige Chefin im DW-Interview, "sodass wir in einem sehr zügigen Tempo vorankommen."
Wenn das geschafft sei, werde auch vieles andere besser. "Das ist der Schlüssel", sagt Marion Ackermann. Schon lange sitzt die gelernte Museumsfrau im Beirat der SPK und ist mit den Problemlagen eng vertraut. Seit bald zwei Jahren arbeitet die "Preußenstiftung" an ihrem Umbau. Doch die Geldgeber - Bund und Länder - halten sich mit weiterer Unterstützung zurück. Wirtschaftsgutachter beziffern den Mehrbedarf aktuell auf 60 Millionen Euro.
Die Stiftung möchte den Staatlichen Museen zu Berlin - wichtiger Kern der SPK - mehr Unabhängigkeit bei der Budget- und Personalplanung einräumen. Das Ziel: Publikumsträchtige Ausstellungen sollen mehr Menschen aus aller Welt anlocken und damit mehr Geld in die Museumskassen spülen. Das Marketing möchte man verbessern, die Vermittlung ausbauen. Die Stiftung soll digitaler werden. Doch die Reform stockt. "De facto ist die Stiftung strukturell unterfinanziert", räumt Marion Ackermann ein. Zugleich schlägt sie optimistische Töne an: "Es gibt im Moment auch positive Zeichen, auch von Seiten des Bundes, von Berlin, von den Ländern, dass die Not erkannt ist und hier groß unterstützt wird." Zudem müsse die Wirtschaft stärker in die Pflicht genommen werden, soll heißen: Ackermann möchte mehr Sponsorengelder akquirieren. Erzwingen lässt sich das freilich nicht.
Bewahrung der Preußen-Schätze
Um die Kulturgüter des ehemaligen Landes Preußen als gesamtdeutsches Erbe zu bewahren, hatte der Bund die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 1957 per Gesetz aus der Taufe gehoben. Der Staat Preußen bestand vom Mittelalter bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945. Im 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreich war Preußen mit der Hauptstadt Berlin der größte und wirtschaftlich stärkste Bundesstaat.
Bei der SPK arbeiten heute rund 2.000 Menschen, rund 4,2 Millionen Museums- und 900.000 Bibliotheksbesuche machen die Stiftung zu einer der größten Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen der Welt, die die kulturelle Entwicklung der Menschheit von den Anfängen bis in die Gegenwart, in Europa wie in anderen Kontinenten, dokumentiert. Zu dem Kulturverbund gehören die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatsbibliothek zu Berlin, das Geheime Staatsarchiv, das Ibero-Amerikanische Institut und das Staatliche Institut für Musikforschung. Außerdem betreibt die Stiftung die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes, die Deutsche Digitale Bibliothek und das Institut für Museumsforschung.
"Ein riesiger, wunderbarer kultureller Schatz, und alles unter einem großen Dach", schreibt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, "doch dieses Dach ist renovierungsbedürftig." Der Zahn der Zeit habe Spuren hinterlassen, die gesellschaftlichen Umbrüche der letzten Jahrzehnte verlangten neue Antworten von den Kultureinrichtungen. Auch sei die internationale Konkurrenz gewachsen. "Die Stiftung muss sich erneuern", fordert Zimmermann, für ihn eine "nationale Aufgabe". Begleitend hat der Kulturrat schon mal ein ganzes Dossier mit Diskussionsbeiträgen und Ratschlägen veröffentlicht.
Gutachten zieht drastische Schlüsse
Dass etwas faul ist im Riesenreich der Preußenstiftung, schwante schon der früheren Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sie beauftragte 2020 den Deutschen Wissenschaftsrat mit einer Analyse der Stiftung.
Das Fazit: "Die Stiftungsstrukturen sind in großen Teilen überfordert und dysfunktional", so das zuständige Mitglied im Wissenschaftsrat, die Dresdner Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler im DW-Gespräch. Ihr Vorschlag, die Stiftung in vier unabhängige Einzelinstitutionen aufzusplitten, die größere Freiräume für ihre Arbeit sowie Personal - und Budgethoheit erhalten, stieß auf wenig Gegenliebe.
Ein solch radikaler Schnitt hätte wohl auch Jahre gedauert und kaum das Finanzierungsproblem gelöst. Allerdings setzte der Stiftungsrat eine Reformkommission ein und unternahm kleinere organisatorische Schritte, die jetzt auch der Wissenschaftsrat würdigt. Doch bleiben - laut Münkler - insbesondere die Museen weiter unter ihren Möglichkeiten. "Das Problem ist, dass sie mit vielen Dingen nicht vorangehen, weil ihnen dazu die Selbstständigkeit fehlt." Das mache es schwer, publikumsträchtige Ausstellungen zu planen, für die sich Sponsorengelder einwerben lassen.
Die Kassenlage bleibt kritisch
In der Tat ist die Kassenlage der Stiftung alles andere als rosig: Zwar bestreitet der Bund den Löwenanteil (86 Prozent) der Kosten. Im Boot sind auch das - notorisch klamme - Land Berlin und die übrigen Bundesländer (14 Prozent), deren Beiträge allerdings seit 1996 nicht erhöht wurden. Trotz minimaler Zahlungen genießen die Länder maximale Mitsprache im Stiftungsrat.
Explodierende Personal- und Sachkosten, die wegen Umbau nötige Schließung des Pergamonmuseum bis Mitte 2027 - all das riss allein im laufenden Jahr ein Loch von 30 Millionen Euro in die Stiftungskasse.
Um das zu schließen, verkürzte die Stiftung die Öffnungszeiten ihrer Häuser, führte weitere Schließtage ein und verkleinerte die Budgets der Museen um 40 Prozent. Bei den großen Bauprojekten der Stiftung - neben dem Pergamonmuseum das Museum "berlin modern" am Berliner Kulturforum, die Staatsbibliothek und der Forschungscampus Dahlem - ist die Finanzierung nicht abschließend gesichert.
Hermann Parzinger, der scheidende SPK-Präsident, wünscht sich von Bund und Ländern schon mal ein "neues Finanzierungsmodell für Deutschlands größte Kultureinrichtung, das für die nächsten Jahrzehnte trägt". Marina Münkler vom Wissenschaftsrat hält es für möglich, dass die staatlichen Museen zu Berlin mit ihren "sagenhaft sensationellen Beständen internationale Strahlkraft" entfalten, um sich mit den berühmten Häusern Europas zu messen. Ein frommer Wunsch - haben diese Museen doch ein Mehrfaches an Etat, Personal und Besuchern.
Und was kann die künftige Präsidentin Marion Ackermann tun, um den Kulturtanker Preußenstiftung auf Erfolgskurs zu bringen? Was wird sie anders machen als ihr Vorgänger? "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh", sagt Marion Ackermann, "um so deutlich auch die eigenen Akzente in Abgrenzung zu formulieren."
Korrekturhinweis: Prof. Marion Ackermann ist Mitglied im Beirat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und nicht, wie notiert, im Stiftungsrat der SPK.