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"Verschiebung der Wahlen ist möglich!"

Zoran Jordanovski1. Februar 2016

Mazedonien habe nach wie vor eine EU-Perspektive. Weitere Fortschritte seien aber abhängig von einem Ende der innenpolitischen Krise und der Umsetzung von Reformen, betont Staatsminister für Europa Michael Roth.

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Mazedonien EU Flaggen (Foto: ddp images/AP Photo/Boris Grdanoski)
Bild: AP

Deutsche Welle: Momentan befindet sich Mazedonien in einer schweren politischen Krise. Der regierenden Partei wird Korruption und Machtmissbrauch vorgeworfen. Sie werden am Dienstag in der mazedonischen Hauptstadt Skopje mit Vertretern der Regierung, der Opposition und mit Aktivisten der Zivilgesellschaft sprechen. Was wollen Sie mit ihrem Besuch erreichen?

Michael Roth: Der Besuch in Skopje ist seit langem geplant. Als Staatsminister für Europa bereise ich die Länder des westlichen Balkan, um an die politisch Verantwortlichen - aber auch an die Zivilgesellschaft - das Signal auszusenden: Es gibt weiterhin eine EU-Perspektive. Dafür müssen aber die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt werden. Je entschiedener Reformen in den Ländern vorangebracht werden, desto schneller schreitet auch der EU-Annäherungsprozess voran. Und das liegt sowohl im Interesse der Länder selbst, die sich für diesen Weg entschieden haben, als auch im Interesse der EU. Stabilität, Demokratie und Wohlstand in der gesamten Region sind unser gemeinsames Ziel.

Würden Sie die Lage in Mazedonien als besorgniserregend bezeichnen?

In der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien muss endlich die schwere innenpolitische Krise rasch und nachhaltig überwunden werden. Darauf hat die Bevölkerung einen Anspruch! Im Vordergrund stehen dabei Reformen, die eine Durchführung der vereinbarten Neuwahlen nach europäischen Standards sicherstellen. Davon wird auch abhängen, wie es mit der Annäherung Mazedoniens an die EU weitergeht. Die Bemühungen von europäischer Seite möchte ich mit meinem Besuch aktiv begleiten.

Ein Expertenteam um den deutschen Diplomaten Reinhardt Priebe hat klar die Probleme in Mazedonien diagnostiziert. Dazu gehören erhebliche Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit, der Unabhängigkeit der Institutionen, der Justiz und der Medien, sowie mit der Trennung von Staat und Regierungsparteien. Die Experten haben auch eine Reihe von konkreten Empfehlungen gegeben. Wie läuft deren Umsetzung?

Anzeichen für erlahmenden Reformeifer gab es bereits vor den derzeitigen Auseinandersetzung. Das bedauere ich sehr, auch weil ich weiß, dass es vor allem in der jungen proeuropäischen Generation zu großem Frust führt. Die Einhaltung unserer europäischen Werte ist ja kein Selbstzweck. Sie ist das Versprechen auf eine bessere Zukunft. Zudem haben die Länder des westlichen Balkan selbstbestimmt die Entscheidung getroffen, dieser Union der Werte angehören zu wollen. Deshalb erwarte ich, dass die entscheidenden Reformen nun endlich angepackt werden. Was die Defizite und die daraufhin von der EU-Kommission vorgelegten Reformprioritäten angeht, ist in der Tat noch viel zu wenig passiert. Deshalb ist derzeit völlig ungewiss, ob die Wahlen am 24. April nach europäischen Standards verlaufen werden.

Michael Roth Staatsminister für Europa (Foto: Jänicke Knoll)
Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt: Michael RothBild: Jänicke Knoll

Die regierenden Parteien wollen unbedingt vorzeitige Wahlen am 24. April und das ungeachtet der Verzögerungen bei der Umsetzung fast aller wichtigen Maßnahmen, die zur Überwindung der tiefen politischen Krise vereinbart worden waren. Die Opposition will unter solchen Umständen nicht an den Wahlen teilnehmen. Wie legitim wären dann die Wahlen?

Wir unterstützen die Vermittlungsbemühungen von europäischer Seite mit Nachdruck. Die politischen Kräfte haben mit dem Przino-Abkommen einen Fahrplan für Neuwahlen nach europäischen Standards vereinbart. Nun sind alle politisch Verantwortlichen aber auch in der Pflicht, endlich zu liefern und das Abkommen zügig und vollständig umzusetzen, sodass Neuwahlen entsprechend europäischer Standards durchgeführt werden können. Diese Aufforderung richtet sich insbesondere an die Regierung. Sie trägt besondere Verantwortung für das Wohl des Landes und die weitere EU-Annäherung. Das Engagement, den Verpflichtungen nachzukommen, darf nicht nachlassen. Das ist unsere klare Erwartungshaltung. Sollte die EU-Kommission zur Einschätzung kommen, dass faire Wahlen nach europäischen Maßstäben Ende April noch nicht möglich sind, wird sie sicher eine Verschiebung der Wahlen empfehlen.

Wegen der Eskalation der Flüchtlingskrise fällt Mazedonien eine immer wichtigere Rolle zu. Kann das ein Anlass für die EU sein, entgegen aller eigenen Prinzipien und Auflagen gegenüber der mazedonischen Führung "ein Auge zu zudrücken"?

Nein! Es gibt keinen politischen Rabatt bei der EU-Annäherung. Das bedeutet nicht, dass wir keine Hilfe in der Flüchtlingsfrage anbieten. Und es wird angesichts der dramatischen Lage auch künftig entscheidend sein, in der Flüchtlingsfrage mit den Ländern des westlichen Balkans eng zusammenzuarbeiten. Die EU und auch Deutschland unterstützen Mazedonien ganz konkret. So hat allein Deutschland den Transitländern - also Mazedonien und Serbien - mittlerweile 2,1 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und 1,3 Millionen Euro für Infrastrukturmaßnahmen gewährt. Die gesamte EU hat fast 22 Millionen Euro dafür bereitgestellt und dazu noch 46 Millionen aus dem Heranführungshilfe-Fond. Das ist Ausdruck unserer Anerkennung für geleistete Solidarität und zugleich Appell an das Verantwortungsbewusstsein aller!

Das Gespräch führte Zoran Jordanovski

Michael Roth ist ein deutscher Politiker. Er ist seit dem Dezember 2013 Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt und politischer Stellvertreter des Bundesministers. Seine Schwerpunkte sind EU-Angelegenheiten, Osteuropa, Russland und die deutsch-französische Zusammenarbeit.