Burundi: wachsender Druck, steigende Unterdrückung
27. April 2015"Der Kampf geht weiter" sangen rund 200 Demonstranten am Montag auf den Straßen des Bezirks Musaga in der Hauptstadt Bujumbura. Bereits am Sonntag hatten hunderte Menschen in vielen Vierteln gegen die erneute Kandidatur von Präsident Pierre Nkurunziza protestiert. Zwei Menschen wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet. Aktivisten hingegen sprachen am Montag bereits von fünf Todesopfern. Die Spezialeinheiten der Polizei gingen mit Tränengas und Wasserwerfern sowie scharfer Munition gegen die aufgebrachten Demonstranten vor, die Steine warfen und Autoreifen anzündeten. Mehrere Menschen wurden verletzt, darunter auch ein Polizist.
Die Menschen werden manipuliert
Der prominente burundische Menschenrechtsaktivist Pierre Claver Mbonimpa wurde nach Angaben eines Augenzeugen "auf brutale Weise" verhaftet, nachdem er in einer Radiosendung zu Gast war. Obwohl es noch keine Angaben über den Grund der Festnahme gibt, glaubt sein Anwalt, dass ein Zusammenhang mit dem Demonstrationsaufruf seines Mandanten gegen Nkurunziza besteht.
Auch gegen Vital Nshimirimana, Hauptorganisator der Demonstrationen, liegt nunmehr ein Haftbefehl vor. Er kritisiert, dass der politische Kampf gegen Nkurunzizas drittes Mandat zu einem ethnischen Konflikt zwischen Hutus und Tutsis hochstilisiert werde. "Eigentlich gibt es keinen Konflikt zwischen beiden Ethnien. Die Geschichte der Ethnizität ist bloß ein trügerischer Versuch, das Volk zu manipulieren", so Nshimirimana.
"Unruhestifter müssen mit Schwierigkeiten rechnen"
Die Regierungspartei CNDD-FDD hatte die angekündigten Demonstrationen zuvor verboten: Auf einem Parteikongress am Sonntag wurde Präsident Nkurunziza zum dritten Mal von seiner Partei als Spitzenkandidat aufgestellt. Er warnte potenzielle Unruhestifter davor, sich mit der Regierungspartei anzulegen, denn damit würden sie "sich in Schwierigkeiten" bringen.
Alex Vines, Chef der Afrika-Abteilung des Londoner Chatham House, schließt einen weiteren Bürgerkrieg nicht aus. "Es war eine ganz bewusste Entscheidung von Präsident Nkurunziza und seiner Partei, mit seiner Nominierung" die politischen Unruhen zu provozieren. Die burundische Zivilgesellschaft und die katholische Kirche hätten schon lange auf die ernste Lage aufmerksam gemacht, wurden aber zu wenig gehört, sagt Vines.
Nach Angaben der ruandischen Behörden sind mittlerweile mehr als 20.000 Menschen ins Nachbarland Ruanda geflohen. Tausende sind auch in die Demokratische Republik Kongo geflüchtet. Der ruandische Botschafter in Burundi, Amandin Rugira, kündigte an, seine Staatsbürger "wegen der zunehmenden Gewalt und andauernden Proteste" evakuieren zu wollen.
Gefährdete Pressefreiheit
Bob Rugurika, Direktor des unabhängigen privaten Radiosenders RPA, berichtete, dass die Polizei seine Station und zwei weitere Radiostationen im ländlichen Raum, in Nkurunzizas politischen Hochburgen, geschlossen hätten. Der bekannte oppositionsnahe Rugurika war schon im Januar festgenommen worden. Wiederholt demonstrierten Bürger für seine Freilassung. Schließlich musste die Regierung Mitte Februar einlenken und ließ ihn auf Kaution frei.
Die Oppositionsparteien und weite Teile der Zivilgesellschaft wehren sich vehement gegen ein drittes Mandat Nkurunzizas. Sie sind sich einig, dass seine Kandidatur nicht verfassungsgemäß ist. Nkurunziza ist bereits seit 2005 im Amt. In den Verträgen von Arusha, die 2005 das Ende des Bürgerkrieges in dem zentralafrikanischen Land besiegelten, darf ein Präsident höchstens zwei Amtszeiten von je fünf Jahren absolvieren.
Wachsender Druck von innen und außen
Doch Unterstützer des Staatschefs berufen sich auf einen Artikel in der Verfassung, der eine Direktwahl des Präsidenten vorsieht. Da Nkurunzizas erste Amtszeit auf einer Wahl durch das Parlament beruhte, zähle sie nicht mit, so die Argumentation.
Aber auch innerhalb der Regierungspartei herrscht Uneinigkeit. Sie hat sich in dieser Angelegenheit in zwei Gruppen, in Befürworter und Gegner der Kandidatur, gespalten. Seit einigen Wochen gibt es eine Petition, die von hochrangigen Parteimitgliedern unterzeichnet wurde. "Sie haben sich gegen eine dritte Amtszeit Nkurunzizas ausgesprochen aus Angst, dass diese Gewalt provozieren könne", erklärt die deutsche Politikwissenschaftlerin Katrin Wittig, die sich zurzeit in Burundi aufhält.
Seit Monaten appelliert auch die internationale Gemeinschaft an Nkurunziza, keine dritte Amtszeit anzustreben, da dies den zehnjährigen Frieden zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi gefährden könne. Auch das US-Außenministerium kritisierte die Entscheidung Nkurunzizas. Dadurch verpasse Burundi die historische Chance, seine Demokratie durch einen friedlichen Machtwechsel zu stärken.
Einen Weg zu mehr Demokratie zu finden, sei momentan schwierig, sagt Vines. Burundi werde von den umliegenden Ländern beeinflusst. Denn auch dort wollen Staatsoberhäupter lange im Amt bleiben. "Wir haben es in Uganda gesehen und es könnte in Ruanda und in der Demokratischen Republik Kongo passieren."
Mitarbeit: Asumpta Lattus, Sandrine Blanchard