Meilenstein erreicht: Mali stimmt über Verfassungsentwurf ab
16. Juni 2023Millionen von Wählern sind aufgerufen, am Sonntag in einem Referendum über einen Verfassungsentwurf für Mali zu entscheiden. Diese Abstimmung soll den Weg für allgemeine Wahlen im nächsten Jahr ebnen.
Das lang erwartete Referendum ist ein Meilenstein für den Übergang Malis von einer inzwischen fast drei Jahre währenden Militärregierung zur Demokratie. Die Militärjunta unter Führung von General Assimi Goita, die sich mit zwei Putschen im August 2020 und Mai 2021 die Macht sicherte, hat zugesagt, bis Februar 2024 Wahlen in dem Sahelland abzuhalten und die Macht an eine zivile Regierung abzugeben.
Die Angehörigen der Sicherheitskräfte waren bereits am 11. Juni aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Wahlbeobachter äußerten sich vorsichtig zufrieden mit der vorgezogenen Stimmabgabe, forderten aber eine bessere Aufklärung der Wähler vor dem Wahlsonntag, um eine hohe Wahlbeteiligung zu gewährleisten.
Die Koalition für Wahlbeobachtung durch die Bürger in Mali (COCEM) kritisierte unterdessen, ihren Beobachtern in den nordmalischen Städten Gao und Timbuktu sei untersagt worden, ihre Arbeit auszuüben. Die zivilgesellschaftliche Gruppe beanstandete auch, die Wahllisten hätten in den Wahllokalen nicht ausgelegen und es habe keine vorgedruckten Registrierungslisten gegeben.
Wichtige Verfassungsänderungen
Die Verfassungsreform wird in Mali seit Langem diskutiert: Das Referendum war ursprünglich für 2017 angesetzt worden.
Der Verfassungsentwurf stärkt die Befugnisse des Präsidenten, den Premierminister und die Minister zu ernennen oder zu entlassen und das Parlament aufzulösen. Er sieht auch die Abschaffung des Französischen als Amtssprache Malis vor.
Eine Klausel, in der Mali als "unabhängige, souveräne, einheitliche, unteilbare, demokratische, säkulare und soziale Republik" beschrieben wird, löste unter religiösen Führern eine gewisse Kontroverse aus.
Sicherheitsbedrohungen für das Referendum
Nach Angaben der COCEM fand die vorzeitige Stimmabgabe in einigen Teilen im Norden des Landes nicht statt, darunter auch in der Region Kidal, die von ehemaligen Tuareg-Rebellen kontrolliert wird. Dies könnte auf mögliche Probleme im Vorfeld des Sonntags hindeuten, sagt COCEM-Projektkoordinator Salia Kariba Traoré im DW-Gespräch.
"Als einer unserer Beobachter in das Militärcamp in Kidal ging, wurde ihm gesagt, dass die geplante Aktion dort nicht stattfand. Erst nach einer Überprüfung stellten wir fest, dass die Abstimmung in Kidal überhaupt nicht stattfand", so Traoré.
Für die Sicherheit in Kidal sind Kämpfer der Koordination der Azawad-Bewegungen (CMA) zuständig, einer überwiegend aus Tuareg bestehenden Allianz, die den Staat seit Jahren bekämpft. Im Jahr 2015 unterzeichneten sie ein Friedensabkommen mit der Regierung und regierungsnahen bewaffneten Gruppen.
Im Rahmen dieses Friedensabkommens von Algier wurde den ehemaligen Kämpfern eine gewisse Autonomie und die Möglichkeit eingeräumt, sich in die "wiederaufgebaute" Armee Malis zu integrieren. Damit sollte die Sicherheit im gesamten Norden besser gewährleistet sein. Aber wegen der Spannungen zwischen den ehemaligen Kämpfern und der Regierung in Bamako ist das Friedensabkommen noch nicht vollständig umgesetzt worden.
Wie wirksam ist das Friedensabkommen?
Aly Tounkara, Exekutivdirektor des Zentrums für Sicherheits- und Strategiestudien in der Sahelzone, sieht im Scheitern der vorgezogenen Abstimmung über die Sicherheitskräfte in Kidal eine Entwicklung, die die malische Junta beunruhigen würde.
"Das Scheitern des Referendums durch die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, die als Teil der wiederaufgebauten Armee in Kidal präsent sind, ist ein starkes Zeugnis dafür, dass dieser Teil des Territoriums sich der Kontrolle des malischen Zentralstaates entziehen würde", so Tounkara gegenüber der DW.
Die aktuelle Herausforderung in Kidal wirft laut Tounkara auch Fragen über die Wirksamkeit des Abkommens für Frieden und nationale Aussöhnung auf. Man habe sich bemüht, die Rebellen daran zu hindern, die Unabhängigkeit anzustreben, und stattdessen auf eine Versöhnung hinzuarbeiten. Tounkara zeigt sich allerdings besorgt, dass in dieser Hinsicht nicht viel erreicht worden sei: "Es ist auch ein Signal von diesen ehemaligen Rebellen, dass der Wunsch nach Unabhängigkeit immer noch relevant ist."
Adaption aus dem Englischen von Martina Schwikowski