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Gesellschaft

Mein Deutschland: Begossener Pudel und durchnässter Hahn

Zhang Danhong
16. Februar 2017

Trotz aller kulturellen Unterschiede glaubt Kolumnistin Zhang Danhong fest an eine deutsch-chinesische Seelenverwandtschaft. Sprachliche Belege gibt es dafür jedenfalls reichlich.

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Kombobild Pudel Hahn

"Aller Anfang ist schwer" - das war der erste Aphorismus, den wir im Deutschunterricht in China auswendig lernten. Dies war zugleich ein Aha-Erlebnis: Den selben Spruch gibt es auch im Chinesischen: 万事开头难 (wan shi kai tou nan: Bei jeder Sache ist der Anfang schwer). Den Gedanken prägte bereits der Philosoph Laozi im 6. Jahrhundert vor Christus. In seinem Werk "Über die Moral" (Tao Te King) riet Laozi, einfach den ersten Schritt zu tun: 千里之行始于足下 (qian li zhi xing shi yu zu xia: Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß).

Der weise Konfuzius ermutigte Lernende, Fragen zu stellen: 不耻下问 (bu chi xia wen: Sich nicht schämen, Rangniedrigere um Rat zu bitten). Das tat auch unser Deutschlehrer: Es gibt keine dummen Fragen.

Fragen gab es reichlich: Warum hat jedes Nomen einen Artikel? Warum "das Mädchen", wo es doch eine "sie" ist? Wozu die vier Fälle? Spätestens bei der Konjugation wird es einem schwindlig. "Ich schaffe das!" Der starke Wille ist die halbe Miete. Denn "wo ein Wille ist, ist auch ein Weg". Das meinte auch der Chinese Fan Ye aus dem fünften Jahrhundert nach Christus. Von dem Historiker stammt der Spruch: 有志者事竟成 (you zhi zhe shi jing cheng: Wer willensstark ist, erreicht sein Ziel).

Deutschland Finanzminister Wolfgang Schäuble beim EBC in Frankfurt am Main
Könnte als weiser Chinese durchgehen: Finanzminister Wolfgang SchäubleBild: Getty Images/AFP/D. Roland

Tempo ist nicht alles

Das Ziel verfehlt, wer nur an das Tempo denkt - eine andere Weisheit von Konfuzius (欲速则不达, yu su ze bu da). An diese in China weit verbreitete Redewendung musste ich denken, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Bezug auf die Bankenunion "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" anmahnte.

Zum Erfolg gehört auch der Fleiß. Dafür sind die Asiaten bekannt. Um beim Büffeln nicht einzunicken, haben sich die alten Chinesen grausame Methoden ausgedacht: 头悬梁 (tou xuan liang: Haare an die Decke hängen) oder 锥刺股 (zhui ci gu: Mit dem Pfriem ins Bein stechen). Wer nicht masochistisch veranlagt ist, kann auch einfach über dem Lernen Schlaf und Essen vergessen (废寝忘食, fei qin wang shi).

Diese Art von Pauken lehnen die Deutschen kategorisch ab. Vielleicht finde ich deswegen in der deutschen Sprache auch kaum Entsprechungen. Stattdessen Allgemeinplätze wie "Das Glück ist mit dem Tüchtigen" oder "Fleißig wie eine Biene sein". Auch in China werden fleißige Menschen gerne mit Bienen verglichen. In der Linguistik nennt man das "fixierte Vergleiche" oder "komparative Phraseologismen".

Verblüffende Übereinstimmung

Hier wie dort müssen Tiere für alles Mögliche herhalten. Differenzen bestehen in der Auswahl der Tiere. Während ein Deutscher wie ein "begossener Pudel" da steht, sieht ein Chinese aus wie ein "durchnässter Hahn". In beiden Fällen kann es vordergründig um jemanden gehen, der ins Wasser gefallen oder schutzlos einem starken Regen ausgesetzt war. Im übertragenen Sinne steckt der Pudel in einer peinlichen Situation, während der Ruf des Hahns ramponiert ist. Wenn einer etwas Überflüssiges tut, dann trägt er Eulen nach Athen oder malt Füße unter einer Schlange (画蛇添足, hua she tian zu).

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Die sprichwörtlichen Eulen aus Athen sind sogar auf den griechischen Euro-Münzen abgebildetBild: picture alliance/dpa/B.Roessler

Wer im Trüben fischt, nutzt eine unübersichtliche Lage aus, um Vorteile zu ziehen. Ein vollkommen identisches Pendant bietet die chinesische Sprache: 浑水摸鱼 (hun shui mo yu: Im trüben Wasser nach Fischen suchen). Der Wolf im Schafspelz versucht in beiden Sprachen durch ein harmloses Auftreten seine bösen Absichten zu verbergen.

Nicht nur das Wolfsbild stammt aus der Bibel, Zitate aus der Luther-Übersetzung haben das Repertoire der deutschen Sprichwörter bereichert. "Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein." Die chinesische Version lautet: Jemand hebt einen Stein hoch und verletzt den eigenen Fuß (搬起石头砸自己的脚, ban qi shi tou za zi ji de jiao). Noch verblüffender ist, dass Konfuzius' Appell "己所不欲勿施于人" (ji suo bu yu wu shi yu ren: Selber nicht wollen, anderen nicht antun) die kompaktere Form von dem bekannten Spruch darstellt: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Es gäbe keinen Krieg auf der Welt, wenn alle Menschen nur diese eine Regel beherzigen würden.

Die Sprache verrät die Volksseele

Nicht nur Weisheiten ähneln sich in beiden Kulturen, auch sprachliche Bilder. So steht "weiß wie Schnee" (雪白,xue bai: schneeweiß) in beiden Sprachen für sauber, während "weiß wie die Wand" (脸像墙纸一样白, lian xiang qiang zhi yi yang bai: Das Gesicht ist weiß wie die Tapete) eine ungesunde Blässe signalisiert, mehr noch, dass dieser Zustand von einem Schock kommen könnte. Mit dem "grünen Zweig" wird in Deutsch und Chinesisch Erfolg assoziiert. Allerdings hört man hierzulande öfter die negative Version: "Er kommt auf keinen grünen Zweig", während die chinesische Redewendung 枝繁叶茂 (zhi fan ye mao: Pralle Zweige und dichte Blätter) vor Kraft nur so strotzt.

Zhang Danhong Kommentarbild App
DW-Redakteurin Zhang Danhong

Der Ofen als Wärmespender und Kochstelle ist nicht nur lebensnotwendig, spielt auch als Metapher eine wichtige Rolle. Doch schon wieder betonen die Deutschen mit der Redewendung "Der Ofen ist aus" das Ende, wohingegen die Chinesen mit dem Aufbau eines neuen Ofens (另起炉灶, ling qi lu zao) den Neuanfang stärker in den Fokus nehmen. Mit dem Sprichwort "Es ist nicht alles Gold, was glänzt" wird die deutsche Skepsis zum Ausdruck gebracht, während die chinesische Fassung "Wenn es Gold ist, wird es überall glänzen" Menschen Mut zuspricht, die sich gerade nicht wertgeschätzt fühlen. Interessant, wie die Sprache auch die Mentalität eines Volkes verrät. Das nur nebenbei.

Die Bilderzeichen machen Chinesisch zu einer einzigartigen Sprache auf der Welt. Doch was die Bilder in der Sprache angeht, steht Deutsch meiner Muttersprache kein bisschen nach. Das Bildhafte in der deutschen Sprache ist für mich fast der Lohn für die schwierige Grammatik, auch wenn vieles auf Anhieb nicht schlüssig wirkt. Warum macht man sich zum Beispiel über jemanden lustig, wenn man ihn durch den Kakao zieht? Oder wieso ist es unerhört, wenn es auf keine Kuhhaut geht? Da hilft nur nachschlagen oder einfach fragen, denn dumme Fragen gibt es ja bekanntlich nicht.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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