Mehr Symbolik geht nicht. Am Tag der Urteilsverkündung im Prozess zum Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine regneten russische Raketen auf die Ukraine nieder. Wieder einmal.
Als am 17. Juli 2014 eine einzige russische Flugabwehrrakete die malaysische Boeing auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ostukraine vom Himmel holte und 298 Menschen tötete, war das ein Schock für die Welt. Bis dahin hatten viele den russischen Krieg gegen die Ukraine, der mit der Krim-Annexion begonnen hatte, kaum wahrgenommen. Die Rede war von prorussischen Separatisten, und Moskau leugnete seine Einmischung.
Ein Fehler, der die Schuld nicht mindert
Auf den Tag genau acht Jahre und vier Monate später ist damit Schluss. Die Richter des Haager Bezirksgerichts stellten am Donnerstag nüchtern fest, Russland habe damals "Gesamtkontrolle" über die so genannte "Volksrepublik Donezk" gehabt, auch durch russische Staatsbürger mit Verbindungen zum Kreml, die dort mitregierten. Zwei davon wurden nun in Abwesenheit schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Der eine heißt Igor Girkin und ist ehemaliger russischer Geheimdienstoffizier, der sich im Gebiet Donezk "Verteidigungsminister" nannte. Der andere - Sergej Dubinskyj - war sein Stellvertreter und diente früher als Offizier in der russischen Armee. Auch ein Ukrainer wurde als Helfer schuldig gesprochen, Leonid Chartschenko.
Alle drei sind nach Ansicht des Gerichts wesentlich dafür verantwortlich, dass ein Flugabwehrsystem vom Typ Buk aus Russland in die Ukraine gebracht und dort gegen eine Passagiermaschine eingesetzt wurde, die für eine ukrainische Militärmaschine gehalten wurde - ein Fehler, der die Schuld jedoch nicht mindert. Der vierte Angeklagte, der Russe Oleg Pulatow, wurde freigesprochen. Seine Rolle sei nicht ausreichend belegt, so das Urteil.
Was bleibt von diesem Mammutprozess, der im März 2020 begonnen hatte? Hat der brutale russische Überfall auf die Ukraine den Fall MH17 nicht längst in den Schatten gestellt? Das mag auf den ersten Blick so erscheinen.
Erfahrungen für künftiges Ukraine-Tribunal
In Wirklichkeit ist der Prozess mit der Urteilsverkündung nicht zu Ende. Es kann noch weitere Verfahren geben, denn es konnte nicht festgestellt werden, "wer den Befehl gegeben hat - und warum", wie der Vorsitzende Richter sagte. Die russische politische und militärische Führung, die für den Abschuss offensichtlich mitverantwortlich ist, wurde in diesem Fall nicht angeklagt.
Das wird sich spätestens bei einem künftigen internationalen Tribunal wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine ändern. Das niederländische Parlament hat im Oktober für die Gründung eines solchen Tribunals gestimmt. Dieses Tribunal dürfte die Ereignisse seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 behandeln und auch auf die wichtigen Erfahrungen im Fall MH17 zurückgreifen können.
Denn es wurde jahrelang sehr aufwändig ermittelt. Ein internationales Team wertete tausende Stunden abgehörter Telefonate, Mobilfunk- und Wetterdaten aus, vernahm Zeugen und führte komplizierte Experimente durch. Einen solchen Prozess hat es in der Geschichte der zivilen Luftfahrt zuvor nie gegeben. Die niederländische Justiz hat dafür das höchste Lob verdient.
Die wichtigste Bilanz lautet: Lügen kommen ans Licht, und es gibt Gerechtigkeit, auch wenn man darauf jahrelang warten muss. Das Urteil ist ein Vorbild und Vorgeschmack auf das, was den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Militärführung beim Ukraine-Tribunal erwarten dürfte: lebenslänglich. Vielleicht werden bis dahin auch die jetzt Verurteilten verhaftet und hinter Gitter gebracht.