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Millionen bleiben ausgeschlossen

Mikhail Bushuev DW Russisch
Mikhail Bushuev
23. September 2021

Jeder sechste Einwohner in Deutschland kann nicht an der Bundestagswahl teilnehmen. Aber wer hier seinen ständigen Wohnsitz hat und Steuern zahlt, sollte auch von der Politik beachtet werden, meint Mikhail Bushuev.

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Wahlumschlag zur Bundestagswahl vor einer Deutschlandflagge
Wählen dürfen in Deutschland nur Deutsche, obwohl Millionen Nicht-Deutsche ebenso hier leben und Steuern bezahlen Bild: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

Millionen von Deutschen können am 26. September in die Wahllokale gehen oder haben bereits ihre Stimme per Briefwahl bei der Bundestagswahl abgegeben. Ich gehöre nicht dazu. Der Grund dafür ist ganz einfach: Ich gehöre zu den Millionen von Menschen mit ständigem Wohnsitz hier, bin aber ohne deutschen Pass. Doch die Gefühle, die ich dabei habe, sind komplizierter.

Etwas mehr als 60 Millionen Einwohner mit deutschem Pass sind wahlberechtigt, während etwa 9,5 Millionen ohne Pass nicht wählen dürfen. Ungefähr jeder sechste Bürger in Deutschland zahlt Steuern und ist auf vielfältige Weise Teil der Gesellschaft, bleibt aber vom demokratischen Grundrecht ausgeschlossen - eine große, aber schweigende Minderheit. Wie sähe Deutschland aus, wenn alle diese Menschen wählen könnten? Was denken sie im Vorfeld der Wahlen?

Wahlrecht für Ausländer?

Ich interessiere mich dafür, wie dieses Land mit den Herausforderungen in den Bereichen Klima, Wirtschaft und Sicherheit umgeht, und hätte gerne ein Mitspracherecht. Allerdings müsste ich meinen russischen Pass aufgeben, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Das habe ich aus verschiedenen Gründen noch nicht getan. Was sollen Leute wie ich also tun?

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DW-Redakteur Mikhail Bushuev ist RusseBild: DW

Eine Möglichkeit, das Problem anzugehen, könnte der Kampf für ein Wahlrecht für ausländische Staatsangehörige sein. Die Idee ist nicht neu. Doch obwohl es viele Vorteile hätte, scheint die unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung als entscheidendes Kriterium keine realistische Lösung zu sein. Das klingt zu pragmatisch und ist möglicherweise doch zu ausgrenzend, um genügend Unterstützung zu finden. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass selbst dieser Vorschlag bei konservativen Wählern und Politikern auf Widerstand stoßen dürfte. Außerdem wären auch Änderungen im Grundgesetz und im deutschen Staatsrecht nötig. Und das ausgerechnet in einem Land , das tief in Angela Merkels Politik des "Weiter so" verwurzelt ist, und den Status quo in allen Lebensbereichen möglichst erhalten will.

Ein alternativer Weg wäre weniger revolutionär und ließe sich wohl ohne öffentliche Proteste umgesetzen: Man könnte dieser schweigenden, aber großen Minderheit eine öffentliche Stimme geben. Auch wenn sie nicht wählen dürfen, sind sie Teil Deutschlands - sozial, kulturell und politisch. Sie sollten also Einfluss auf die Abstimmung haben.

Ein bescheidener Vorschlag

Dies könnte in Form regelmäßiger Umfragen geschehen oder man könnten sie regelmäßig in Talkshows einladen. Es geht darum, das Bewusstsein beider Seiten zu schärfen - sowohl der deutschen Wähler als auch der ausländischen Staatsangehörigen.

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum Menschen keinen deutschen Pass beantragen können oder wollen - das ist ein Thema für sich. Eine Sensibilisierung könnte jedoch dazu beitragen, das Menschen mit Migrationshintergrund von der deutschen Politik endlich starker wahrgenommen und von ihr entsprechend ihrem hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung auch repräsentiert werden.

Sie könnte nicht zuletzt auch eine Debatte darüber anstoßen, warum EU-Bürger zwar bei Kommunalwahlen oder Wahlen zum Europäischen Parlament mitbestimmen dürfen, dieses Recht aber bei nationalen Wahlen nicht haben. Vielleicht ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun und das Wahlrecht in der gesamten Europäischen Union zu reformieren.