1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Meinung: Djokovic - ins Aus gespielt

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz
6. Januar 2022

Offensichtlich ungeimpft, aber mit einer medizinischen Ausnahmeregelung will Tennisstar Novak Djokovic seinen Titel bei den Australien Open verteidigen. DW-Redakteurin Sarah Wiertz findet das Verhalten respektlos.

https://p.dw.com/p/459tT
Novak Djokovic gestikuliert auf dem Platz
Das hatte sich Novak Djokovic wohl einfacher vorgestelltBild: David Gray/AFP/Getty Images

Die Rod-Laver-Arena ist quasi sein Wohnzimmer: Hier hat Novak Djokovic die Hälfte seiner insgesamt 20 Grand-Slam-Titel gewonnen. Er ist mit großem Abstand Rekordhalter bei den Australian Open. Und mit einem Sieg könnte der Serbe an Rafael Nadal und Roger Federer vorbeiziehen und zum alleinigen Grand-Slam-Rekordsieger aufsteigen. Verständlich also, dass der Weltranglistenerste unbedingt in Melbourne aufschlagen will.

Unverständlich ist dagegen, wie er versucht hat, dies zu tun.

Soziale Medien: Ich komm' dann mal

Mit einem Instagram-Post, der ihn lachend mit Gepäck am Flughafen zeigt. Daneben einige Zeilen, in denen er zunächst den Wunsch äußert, dass alle Liebe und Respekt gegenüber allen Wesen auf diesem wunderbaren Planeten empfinden mögen. Schließlich die Info, dass er mit einer medizinischen Ausnahmeregelung nach Down Under reist.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
DW-Sportredakteurin Sarah Wiertz

Dass die australischen Behörden dieses undurchsichtige Spiel nicht einfach so mitmachen, damit hat der Titelverteidiger - und offenbar auch Turnierdirektor Craig Tiley- nicht gerechnet. Tiley hatte kurz vor Djokovics Abreise bestätigt, dass der Serbe mit einigen wenigen anderen Spielern eine medizinische Ausnahmeregelung erhält. Knapp zwei Monate zuvor hatte er sich noch anders geäußert und behauptet, nur Geimpfte dürften beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres teilnehmen. Der ganze Prozess wirft viele Fragen auf.

Djokovic beantwortet keine von ihnen - und nährt so Spekulationen.

Ausnahmeregelung: Begründung unklar

Australien hat eine ganz strikte Einreiseregelung aufgrund der COVID-19-Pandemie: Nur doppelt geimpfte Personen und jene wenige, die eine medizinische Ausnahmeregelung erhalten, dürfen in das Land. Tiley betonte, für Sportler seien die Ausnahmeregelungen noch strikter.

Wer als Hochleistungsathlet im australischen Sommer bei über 30 Grad mehrere Stunden Spitzensport betreibt, kann nicht akut krank oder stark immungeschwächt sein. Damit lässt sich eine Ausnahmeregelung für den Serben also nicht begründen.

Craig Tiley, der Turnierdirektor der Australian Open, im Interview
Australian-Open-Turnierdirektor Craig TileyBild: Fiona Hamilton/Tennis Australia/AP/picture alliance

Für eine Ausnahmegenehmigung ausreichend könnte aber auch sein, dass sein Körper bereits eine lebensbedrohliche, allergische Reaktion auf eine Impfung gezeigt hat, Djokovic eine natürliche Impfung für Hepatitis, Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken hat oder er sich - nachdem er sich bei einer eigenen Tennis-Veranstaltung im Sommer 2020 bereits mit Corona angesteckt hatte - in den letzten Wochen erneut mit dem Virus infiziert hat.

Wenn dies so sein sollte, warum äußert er sich nicht dazu?

Impfskeptiker: Klare Ansage

Schon im Frühjahr 2020 hatte sich Djokovic als Impfgegner positioniert. "Ich bin persönlich gegen Impfungen. Ich möchte nicht, dass mich jemand zwingt, einen Impfstoff einzunehmen, um reisen zu können."

Dass er sich nicht impfen lässt, ist seine Privatsache. Zu erwarten, dass er während dieser globalen Pandemie dennoch ohne große Einschränkungen so weitermachen kann wie bisher, ist realitätsfremd und arrogant. Eine medizinische Ausnahmeregelung vorzulegen, die offenbar noch nicht mal den formalen Anforderungen entspricht, ist dreist.

Empörend ist jedoch, dass es Djokovic in Zeiten einer Pandemie, in der das Verhalten einzelner Auswirkungen auf viele andere hat, nicht für nötig hält, sich zu erklären. Im Gegenteil: Der 34-Jährige scheint sich einen Spaß daraus zu machen, diese und andere Fragen bewusst offen zu lassen und gar mit den Unsicherheiten, Sorgen und Ängsten der Menschen zu spielen. Das verhöhnt all jene, die sich an die COVID-19-Regeln halten. Das ist respektlos und sportlich höchst unfair.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online