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Politik

Mutige Richterinnen und Richter braucht das Land

Magdalena Gwozdz-Pallokat
Magdalena Gwozdz-Pallokat
3. März 2021

Ein polnisches Gericht hat drei Frauen vom Vorwurf freigesprochen, mit der Verbreitung eines Madonnen-Bildes religiöse Gefühle verletzt zu haben. Ein überfälliges Signal, meint Magdalena Gwóźdź-Pallokat.

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"Ein Regenbogen ist keine Beleidigung" steht auf dem Plakat mit der angeblich entweihten Schwarzen Madonna von Tschenstochau, dem polnischen Nationalheiligtum, das Demonstrantinnen für dem Gericht in Plock halten
"Ein Regenbogen ist keine Beleidigung" steht auf dem Plakat mit der angeblich entweihten Schwarzen Madonna von Tschenstochau, dem polnischen NationalheiligtumBild: Czarek Sokolowski/AP/picture alliance

Es gibt sie in meinem Land. Noch.Mutige Richter, die Urteile fällen, die der Regierung nicht gefallen dürften. An einem Tag, an dem der Europäische Gerichtshof die von der regierenden PiS-Partei grundlegend veränderten Regularien der Richterberufung als womöglich unvereinbar mit dem EU-Recht bewertet hat.

Auffallend beherrscht und fast so, also ob sie absichtlich jedes Wort genau verständlich machen wollte, hat die Richterin am Amtsgericht im zentralpolnischen Płock das Urteil vorgetragen. Ab und zu blickte sie in Richtung der - durch sie - freigesprochenen Frauen, die ihre Tränen nicht verbargen. Deren ganze Körperhaltung - tiefes Atmen und gelegentliches, erschöpft wirkendes Schließen der Augen - verriet, mit welcher Last sie in den Gerichtssaal gekommen waren.

Eine Institution mit Format

Auch mich hat dieses Urteil gerührt. Nicht nur, weil ich am Vortag ein langes Gespräch mit einer der zu diesem Zeitpunkt noch Angeklagten führte und ihre Motivation nachvollziehen zu können glaubte. Sondern weil endlich eine Institution in meinem Land Format bewiesen hat - den Mut, in schwerer Zeit über sich hinauszuwachsen und Klartext zu reden. Die Kirche versagt da nämlich schon länger, ähnlich wie viele andere Institutionen und Persönlichkeiten in Polen.

Magdalena Gwozdz-Pallokat
DW-Korrespondentin Magdalena Gwóźdź-PallokatBild: Mariusz Smolewski

Wie oft habe ich mich in der letzten Zeit gefragt: Wo bleiben sie denn bloß alle? Wieso trauen sich nur so wenige auszusprechen, was die Essenz des Christentums ist: Respekt vor anderen Menschen, die Achtung der Würde jedes Einzelnen. Wieso warnt der Erzbischof von Krakau die Gläubigen vor einer "Regenbogen-Pest", statt Toleranz und Nächstenliebe zu verkünden? Die Gläubigen, also auch mich, von denen viele sich nicht beleidigt fühlen durch das Bild der Mutter Gottes mit dem Jesuskind und den Regenbogenfarben als Heiligenschein.

Die Richterin in Płock hat nicht nur ein klares Urteil gesprochen, sondern ein noch viel stärkeres Zeichen gesetzt: Dem im Saal anwesenden Pfarrer, für den alles rund um LGBT Sünde ist, brachte sie die Kirchenlehre näher und das, was die Bibel sagt. Sie stellte fest, dass in der Heiligen Schrift keinerlei Indizien zu finden sein, dass LGBT-Menschen aus der Kirche auszuschließen seien. Die Richterin sprach damit etwas aus, worauf die viele Gläubige, darunter ich, gewartet haben.

Die Richterrobe als wahre Soutane

Gerade jetzt, da die Justiz in Polen in ganz Europa ein Thema ist und die EU- Institutionen kein wirklich wirksames Mittel zu finden scheinen, geht eine Richterin sogar einen Schritt weiter und erklärt der Kirche, wofür sie stehen sollte. Es wirkte in diesem Moment, als wäre ihre Richterrobe die wahre Soutane - während der Płocker Priester auch vor Gericht seine menschenverachtenden Thesen wiederholte, dass Sex zwischen Männern "pervers" sei und nach Behandlung durch Psychologen und Psychiatern verlange. Die Richterin gab damit vielen Gläubigen in Polen genau den Halt, den sie anderswo vermissen.

Natürlich kann man kritisieren, dass hier eine Richterin ihre Kompetenzen überschritten hat. Andererseits bietet dieser Schritt auch die Chance, die Autorität der Justiz zu stärken, deren Richter von der PiS-Propaganda gern als weltfremde und selbstgerechte "Kaste" verunglimpft werden. Wir brauchen mehr Urteile, die den Menschen zeigen, dass das Auslegen von Paragraphen kein Selbstzweck ist, sondern dass es letztlich um unser aller Zusammenleben geht.

Mutig Einspruch einlegen!

Und ist es nicht geboten, aus der Rolle zu fallen, wenn Grundlagen des menschlichen Miteinanders oder auch der Rechtsstaatlichkeit grob missachtet werden? Ich wünsche mir von meinen Landsleuten, von denen viele trotz der Abwege, auf die unser Land geraten ist, einfach irgendwie weiter funktionieren, dass sie viel häufiger aus der Rolle fallen und laut "Nein" sagen. Und nicht zuletzt, dass sie mutig Einspruch einlegen, wenn im Namen des Christentums Dinge gesagt werden und geschehen, die unserem Glauben geradewegs widersprechen.

Magdalena Gwozdz-Pallokat
Magdalena Gwozdz-Pallokat Korrespondentin DW Polski, HA Programs for Europe, Warschau, Polen