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Merkel: Bundestagswahl wird Abstimmung über Europa

15. Juli 2012

Deutschlands Politiker nutzen die Sommer-Interviews der TV-Sender gerne mal zu grundsätzlichen Statements. Kanzlerin Merkel sagte im ZDF, dass sie die Bundestagswahl 2013 auch zur Abstimmung über Europa machen will.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (r,) spricht in Berlin mit Bettina Schausten, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im nächsten Jahr werde natürlich über die Frage abgestimmt, "wo steht Europa und welche Vorstellungen haben wir von Europa", sagte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel am Sonntagabend im "Sommerinterview" des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) in Berlin. Sie und die christlich-liberale Koalition stellten sich Europa als eine Stabilitätsunion vor, "die sich weltweit auch behaupten kann".

Merkel bekräftigte, dass sie eine dritte Amtszeit als Bundeskanzlerin anstrebe. "Die Arbeit macht mir Spaß", sagte sie auf eine entsprechende Frage. Merkel ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Sie hatte bereits im November 2011 erklärt, dass sie erneut für das höchste Regierungsamt kandidieren will. Im Wahlkampf werde die Union "damit werben, dass wir weiter auf Wohlstandskurs bleiben wollen, dass wir die Herausforderungen - demografischer Wandel, Integration von Migrantinnen und Migranten - entschieden voranbringen müssen." Hier gebe es noch genug Arbeit, sagte Merkel.

"Europa verbindlicher machen"

Erheblichen Nachholbedarf sieht die Kanzlerin bei der europäischen Einigung. "Wir müssen Europa verbindlicher machen", sagte Merkel. Bei der Einführung des Euro sei versäumt worden, eine "politisch engere Zusammenarbeit" zu vereinbaren, kritisierte sie. Das müsse man nun schaffen. Der europäische Fiskalpakt zur Begrenzung der Neuverschuldung sei ein erster Schritt. Künftig müssten die EU-Institutionen dann mehr Möglichkeiten zum Vorgehen gegen solche Länder bekommen, die sich nicht an europäische Vereinbarungen halten.

Ihr Ziel sei eine bessere Kontrolle, "so dass sie verbindlich ist und man nicht einfach die selbst gestellten Regeln nicht einhalten kann", sagte Merkel. "Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass sich zu viele nicht daran gehalten haben." Als Beispiel nannte Merkel neben der Haushaltspolitik die EU-weiten Vorgaben zu Ausgaben für Forschungszwecke. Die Hälfte der Mitgliedsländer halte sich nicht daran, was zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit gehe.

Finanzhilfen nur gegen Kontrollen

Die Kanzlerin nutzte das Interview, um zu etlichen aktuellen politischen Streitpunkten Stellung zu beziehen. So machte sie klar, dass es auch künftig in der Eurozone nur Hilfen geben werde, wenn zuvor Kontrollen und Bedingungen vereinbart wurden. Sie widersprach Berichten, wonach bereits entschieden sei, dass eine Entscheidung gefallen sei, wer bei künftigen direkten Bankenkrediten aus dem Euro-Rettungsschirm ESM hafte. "Dazu haben wir uns überhaupt abschließend nicht geäußert." Ohnehin seien direkte Bankenhilfen erst möglich, wenn eine europäische Bankenaufsicht eingeführt worden sei, die direkte Eingriffsrechte in nationale Institute habe. Dann sei eine ganz andere Kontrolle möglich. Dies sei eine Zukunftsaufgabe, über die auch der Bundestag zuvor entscheiden werde.

Für Unruhen hatten widersprüchliche Aussagen von Finanzminister Wolfgang Schäuble und dem EFSF-Chef Klaus Regling darüber gesorgt, ob bei künftigen Hilfen durch den ESM der Rettungsschirm oder die betroffenen Staaten haften. Die Regierungen der Euro-Länder hatten dies in ihrer Erklärung auf dem jüngsten Gipfel Ende Juni offengelassen.

Merkel wies zugleich alle Versuche von Regierungen südlicher Euro-Länder zurück, Hilfen ohne Bedingungen durchsetzen zu wollen. Solche Versuche würden mit ihr "keine Chance haben", sagte sie. Auch Deutschland dürfe nicht überfordert werden. Die Bundesrepublik stehe im weltweiten Wettbewerb und müsse sich dort behaupten.

Keine Kanzlermehrheit notwendig

Gelassen gab sich die CDU-Chefin bei der Frage nach der symbolisch wichtigen Kanzlermehrheit bei der bevorstehenden Bundestagsabstimmung über die Milliardenhilfe für Spanien. "Wir bekommen immer die Mehrheiten, die wir brauchen", sagte sie im ZDF und fügte hinzu: "Wenn ich zur Kanzlerin gewählt wurde, habe ich die Kanzlermehrheit jeweils gehabt. Wenn eigene Mehrheiten notwendig waren, bekomme ich sie, und davon gehe ich aus."

Bei der Abstimmung über die Spanien-Hilfe ist nur die einfache Mehrheit im Parlament nötig. Beim Bundestagsbeschluss über den Euro-Rettungsschirm ESM hatte die Koalition Ende Juni eine eigene Kanzlermehrheit verfehlt. Unter dieser Mehrheit versteht man die absolute Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag - also 50 Prozent plus eine Stimme. Zurzeit sind dazu mindestens 311 Ja-Stimmen der schwarz-gelben Koalition nötig. Für normale Gesetzesbeschlüsse reicht eine einfache Mehrheit, also die Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten, die mit Ja oder Nein stimmen. Derzeit stellen die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP 330 Abgeordnete.

kle/pg (dpa, afp, dapd, rtr)