1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel stellt Visafreiheit für Türken infrage

23. Mai 2016

Die Visafreiheit zwischen der EU und der Türkei wird nach Ansicht der Bundeskanzlerin wohl nicht wie geplant im Juni in Kraft treten können. Es seien noch weitere Gespräche nötig, sagte Merkel in Istanbul.

https://p.dw.com/p/1It6t
Präsident Erdogan im Gespräch mit Kanzlerin Merkel beim UN-Nothilfegipfel in Istanbul (Foto: Reuters)
Präsident Erdogan im Gespräch mit Kanzlerin Merkel beim UN-Nothilfegipfel in IstanbulBild: Reuters/K. Ozer/Presidential Palace

Die Chancen für die angestrebte Visafreiheit für Türken in der Europäischen Union ab 1. Juli sind erneut gesunken. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Rande des UN-Nothilfegipfels in Istanbul, Erdogan habe sein Nein zur geforderten Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze bekräftigt. Er habe in dem Gespräch gesagt, dass eine solche Gesetzesreform für ihn im Augenblick nicht zur Debatte stehe. Falls diese Änderung in den kommenden Wochen nicht doch noch erfolge, seien nicht alle Bedingungen für die Visafreiheit erfüllt. "Ich glaube, es werden noch weitere Gespräche geführt werden müssen", betonte die Kanzlerin.

Erdogan hatte die Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze, die nach Ansicht der EU für die Verfolgung friedlicher Regierungsgegner eingesetzt werden, in den vergangenen Wochen mehrfach abgelehnt. Merkel betonte dagegen, die 72 Bedingungen für die Visafreiheit, zu der die Forderung nach einer Lockerung der Anti-Terror-Gesetze gehört, seien nicht neu, sondern seien bereits im Dezember 2013 von beiden Seiten einvernehmlich festgelegt worden.

Sorge wegen Aufhebung der Immunität

Einen Dissens zwischen Merkel und Erdogan gab es nach den Worten der Kanzlerin auch in der Frage der innenpolitischen Entwicklung der Türkei. Merkel unterstrich, die Aufhebung der Immunität vieler Abgeordneter im türkischen Parlament erfülle sie mit "tiefer Besorgnis". Dies habe sie gegenüber Erdogan auch deutlich gemacht. "Es bleiben Fragen in dieser Richtung offen, wir werden die weitere Entwicklung sehr genau beobachten müssen."

Die Kanzlerin trat zugleich dem Anschein eines drohenden Scheiterns des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens entgegen. "Ich habe den Eindruck, dass dieses Abkommen in beiderseitigem Interesse ist", sagte sie. Nach heftiger Kritik etwa aus der CSU verteidigte Merkel das Abkommen erneut. Diese verpflichtet die Türkei, die nach Griechenland gelangenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug nimmt die EU direkt syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf und zahlt in zwei Schritten bis zu sechs Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge. Zudem wird der Türkei Visafreiheit gewährt, wenn es alle Anforderungen der EU erfüllt.

"Normale" Probleme?

In diesem Zusammenhang verteidigte die CDU-Politikerin die Verknüpfung der Visafreiheit mit dem Flüchtlingsabkommen. Es gebe einen sehr engen Zusammenhang, weil die Türkei etwa in beiden Fällen eine Rücknahme von Drittstaaten-Angehörigen aus der EU zusagen müsse. Dass es noch Probleme mit der Umsetzung des Abkommens gebe, sei normal. Auch beim Minsk-Abkommen für die Ostukraine seien noch nicht alle Punkte erfüllt, gab Merkel zu bedenken.

Derweil kritisierte die türkische Seite erneut das Verhalten der Europäischen Union. Erdogan Wirtschaftsberater Yigit Bulut sagte dem Staatssender TRT, dass sein Land "sehr radikale Entscheidungen" treffen könne. Dazu zähle die Aufhebung des Zollabkommens mit der EU, falls diese ihre Versprechungen gegenüber den türkischen Bürgern nicht einhalte.

kle/stu (afp, dpa, rtr, ape)